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elena_liest

Posted on 4.2.2020

In "Ich bin ein Schicksal" von Rachel Kushner geht es um die alleinerziehende Romy, die aufgrund einer Verurteilung zu einer Haftstrafe von zwei mal Lebenslänglich in einem Gefängnis in der USA sitzt. Es wird beschrieben, wie es ist, im Gefängnis zu leben mit dem Wissen, dass das Kind draußen ohne Mutter aufwächst. Es wird beschrieben, welche Ungerechtigkeit und Skrupellosigkeit in amerikanischen Gefängnissen herrscht. Es wird beschrieben, welche Taten die Insassinnen begangen haben, von den Todeskandidaten bis hin zu den Widerholungstätern. Und all das lässt den Leser in einem moralischen Dilemma zurück. Die Autorin bringt dem Leser die Geschichte von Romy, ihren Mithäftlingen und dem Gefängnispädagogen auf sprachlich ganz besondere Weise nahe. Es werden verschiedenste Schicksale erzählt, die den Leser oft sprachlos zurücklassen. Oft habe ich gemerkt, dass ich Romy bemitleide, ihre Tat vielleicht sogar verstehen kann - bis mir wieder brutal vor Augen geführt wurde, dass sie einen Mord begangen hat. Dann war ich wieder schockiert und habe mir vorgestellt, wie schwierig es ist, einen Menschen zu verurteilen bei einer Tat, die so facettenreich ist. Inwieweit "rechtfertigt" Stalking einen Mord? Hätte Romy eine Strafmilderung bekommen müssen? Man hätte ihr zumindest besser zuhören müssen. Das ist die Anklage, die das Buch dem amerikanischen Gefängniskonstrukt vorwirft - den Menschen wird nicht zugehört, es wird nicht auf ihre Bedürfnisse eingegangen, es herrscht ein riesiges Maß an Gleichgültigkeit. Mich hat das Buch schockiert und berührt. Trotzdem war das Lesen teilweise mehr als anstrengend. Die Autorin springt ununterbrochen zwischen Zeiten und Perspektiven hin und her, das macht es für mich als Leser extrem schwer, den verschiedenen Handlungssträngen zu folgen. Ich bin verwirrt und nachdenklich, habe das Buch aber regelrecht verschlungen. Ich vergebe 4 / 5 ⭐ und freue mich über ein Buch mit besonderem Cover im Regal.

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