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hasirasi2

Posted on 14.4.2025

Ein Platz zum Glücklichsein „Ich muss vorausschicken, dass ich vieles in meinem eigenen Leben bis heute nicht kapiere. Zum Beispiel ist mir immer noch rätselhaft, warum ausgerechnet der Mensch mein Feind wurde, dem ich so viel zu verdanken hatte. Aber jetzt sind alle Beteiligten mausetot, und niemanden interessiert das mehr.“ (S. 357) Inge Martensen ist ein Urgestein auf Föhr, jeder kennt die fast Hundertjährige, ihr runder Geburtstag ist längst geplant. Doch Inge hält nichts von der Feier, sie will lieber noch einmal nach New York, wo sie so viele Jahrzehnte gelebt und gearbeitet hat. Also bucht sie für sich und ihre 20jährige Lieblingsnichte Swantje eine Kreuzfahrt dahin – First Class natürlich. Auf der Reise erinnert sie sich und erzählt Swantje von ihrem bewegten Leben, auch um sie dazu anzuregen, selber nach den Sternen zu greifen. Ich bin seit Jahren ein Fan von Janne Mommsens unterhaltsamen Romanen und war gespannt auf diesen historischen Stoff, für den er viel recherchiert und sich ausführlich mit Föhrer Auswanderern und Rückkehrern bzw. deren Nachfahren unterhalten hat. Man merkt diese Nachforschungen und die damit verbundene Detailliebe in jeder Zeile. Er lässt nicht nur die Insel und ihre Bewohner in der verschiedenen Jahrzehnten lebendig werden, sondern vermittelt auch ein sehr anschauliches Bild von NY und den Auswanderern zu diesen Zeiten. Inges Leben hat mich gefesselt und fasziniert. Ihre Eltern waren einfache Bauern mit einem kleinen Hof, der gerade genug zum Überleben abgeworfen hat. Die Kinder mussten von klein auf mitarbeiten. Es war ein hartes Leben, vor allem direkt nach dem Krieg, trotzdem wollte Inge nie weg. Aber dann ist etwas passiert, was in ihrer Erzählung lange geheim bleibt, und sie musste von einem Tag auf den anderen Tag nach NY gehen. Janne Momsen zieht seine LeserInnen sofort in den Sog von Inges Leben und hält die Spannung bis zum Ende, und eigentlich sogar noch darüber hinaus, denn man will unbedingt wissen, wie es im zweiten Band mit ihr und Swantje weitergeht. Er deutet Geheimnisse und Geschehnisse an, die sich erst spät oder noch gar nicht aufklären und einen zusätzlichen Reiz zum „Dranbleiben“ liefern. Geschickt lässt er amerikanische Geschichte und berühmte Personen einfließen, die Inge kennengelernt hat. Sie hat es fast von der Tellerwäscherin zur Millionärin, bzw. von der Inseltochter / Bäuerin zur Köchin und noch viel weiter geschafft. Dabei ist sie lange nicht heimisch geworden in der Fremde, obwohl die Auswanderer mit dem Föhr-Amrumer-Unterstützungsverein ein tolles Netzwerk aufgebaut haben, das es heute noch gibt. Doch Inge hat durchgehalten, weil ihre Familie das Geld brauchte. Also hat sie ihr Glück hintenangestellt und es erst später gefunden. Aber wie so oft liegen Glück und Leid eng beieinander. Inge ist eine Frau, die oft zweifelt, auch an sich selbst, aber Visionen hat und dann einfach durchzieht. Eine Macherin, die sich von ihren Ängsten nicht unterkriegen lässt, sondern nach vorne sieht. Eine echte Kämpferin für sich, ihre Familie, Freunde, jemand, den ich gerne kennengelernt hätte. Mein Fazit: Ein sehr bewegendes Leben und absolutes Lesehighlight.

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