Dagmar
Schmerzhaft wahr. Theresa Hannig hat kein Buch geschrieben, mit dem sich die Lesenden wohl fühlen sollen, sondern eines über die Folgen des Klimawandels. Eine gründliche und scharfe Analyse, warum so viele Menschen den vermeintlich bequemen Weg des „Ist ja nur Wetter“, des „Ich kann da eh nichts machen“ und des „Wird schon gut gehen“ wählen – und was es braucht, damit Menschen aktiv werden oder sich sogar radikalisieren. Das war für mich das Besondere an „Parts per million“: Der Climate-Fiction-Thriller schmerzt, weil er uns die Möglichkeit des Wegschauens nimmt. Das beginnt mit dem near-future Setting. In Deutschland regiert eine Koalition aus CDU und AFD. Was mit den bayrischen Polizeigesetzen begann, wird einfach nur ein klein wenig weiter gedacht. Das war das erste Mal, dass ich das Buch aus der Hand legen musste, um tief durchzuatmen. Viele weitere solche Lesemomente folgten, denn Theresa Hannig seziert wirklich jeden alltäglichen Lebensbereich. Hausfrauenehe, Mobilität, Finca auf den Kanaren, Social Media, alternative Beziehungsmodelle, Polizeiüberwachung, Migration, Unwetter, Dürren, Männer, die die Welt verbrennen, Populisten und die Sorgen der Teenager – all das und noch viel mehr wird durchleuchtet, inwieweit es mit unserer bisherigen Unfähigkeit, dem Klimawandel zu stoppen, zusammenhängt. Diese Gründlichkeit gehört, genau wie die Spannung, zu den Stärken des Buchs. Aber sie bringt auch mit sich, dass ich mich an manchen Stellen im ersten Drittel in einem Lehrstück wähnte. Das legte sich, als die Gewaltspirale sich immer schneller zu drehen begann. Ab da hatte ich ein neues Problem. Ich bin ein bekennendes Weichei, was Gewaltdarstellungen angeht. Doch den Untertitel „Gewalt ist eine Option“ sollten Leser*innen sehr ernst nehmen!