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evaczyk

Posted on 19.8.2024

Wiender Klüngel "Freunderlwirtschaft", das klingt im Österreichischen so viel charmanter als "Klüngel", aber es geht um das gleiche Prinzip in Petra Hartliebs gleichnamigen Wien-Krimi, eigentlich Politkrimi. Gleich der ersten Fall der neu ernannten Leiterin der Wiener Mordkommission, Alma Oberkofler, hat es in sich. Es ist nicht die übliche aus den Fugen geratene Streiterei im Milieu oder Beziehungstat, nein, der junge, gutaussehende Landwirtschafts- und Tourismusminister wird tot in seiner schicken Penthousewohnung gefunden. Ein Unfall, ein eskalierter Streit, eine geplante Tat? Fragen könnte vielleicht die Verlobte des Toten beantworten, als Pressesprecherin der Wirtschaftsministerin selbst Profi im Politikbetrieb. Doch die ist verschwunden und offenbar bewusst abgetaucht, nachdem sie erst das Maximum an Bargeld von einem Geldautomaten abgehoben, ihr Handy zerstört und ihren Wagen auf dem Parklplatz eines Einkaufszentrums stehen gelassen hat. Manches kommt Alma in diesem Fall, in dem ihr sofort der Staatsschutz zur Seite gestellt wird, merkwürdig vor, angefangen bei den Wohnverhältnissen des Paares, die doch einige Fragen aufwerfen. Dass Jessica als Verlobte des Toten in den Focus gerät, ist zwar nicht merkwürdig, wohl aber, dass jeder gewillt scheint, andere Optionen schnell auszuschließen. Hartlieb splittet ihren Roman in zwei Handlungsstränge - einmal die aktuellen Ermittlungen in Wien, anderererseits Jessicas Flucht und eigene Recherchen, mit Rückblicken in die Vergangenheit, die die Beziehung zwischen ihr und dem toten Minister einzuordnen helfen. Und wo der Tote der beste Freund des jungen Kanzlers war, wächst auch ganz schnell der Druck auf die Ermittler. Schnell muss Alma feststellen, dass sie von einer gut vernetzten Journalistin mehr über die Hintergründe des Wiener Politikbetriebs erfährt als auf dem Amtsweg. Dann gibt es einen weiteren Todesfall, der so schnell zum Unfall erklärt und abgeschlossen wird, dass Alma misstrauisch wird. Doch je tiefer sie gräbt, desto größer wird der politische Druck. Um zur Wahrheit vorzudringen, braucht sie Hilfe von ungewöhnlicher Seite. "Freunderlwirtschaft" ist spannend und unterhaltsam geschrieben und angesichts früherer Skandale um mächtige Männerbünde und ihre Interessen in der Alpenrepublik durchaus glaubwürdig und konsequent. Ein Alleinstellungsmerkmal Österreichs sind solche Zustände allerdings nicht. Mit Alma Oberkofler und ihrem Team wurde eine sympathische, unbestechliche und aufrechte Protagonistin in den Mittelpunkt gestellt. Wer einen Kriminalroman mit einem guten Plot zu schätzen weiß, ist hier gut aufgehoben.

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