awogfli
Puh, was soll ich sagen, eine Story, die eher von der Unterhaltungsliteraturseite konzipiert ist, aber durchaus spannende ethische Themen über das Sterben und über die gesellschaftlichen Implikationen anstellt, wenn durch eine medizinische Therapie die Zellen derart verjüngt und repariert werden können, dass kein Mensch mehr an Alter und an Krankheiten sterben muss. Was bedeutet das nahezu ewige Leben für die ohnehin schon erschöpften Ressourcen unseres Planeten? Was bedeutet es für das Recht folgender Generationen, noch Kinder kriegen zu dürfen? Gibt es dann ein Diktat des Alters? All dies sind spannende Fragen, die hintergründig in der Hauptstory des Romans verpackt sind und deren Thematisierung mir auch gut gefallen hat. Weit weniger gut gefiel mir der Plot im Vordergrund, denn der Autor hat durch die vielen Erzählstränge derart arg Tempo aus der Geschichte genommen, dass sie sich nicht mehr für einen echten Pageturner der Unterhaltungsliteratur eignet. Das ist sehr schade, dass hier das von mir verortete Potenzial nicht wirklich gut umgesetzt wurde. Die Lebensgeschichten von sechs Personen werden in den bereits genannten Erzählsträngen dargelegt, wobei fast allen gleich ist, dass sie an einer experimentellen Medikamentenstudie zur Bekämpfung von Herzmuskelentzündungen teilnehmen. Jakob ist ein Junge, der sowohl massiv mit seiner Pubertät als auch mit seiner Krankheit hadert, er hat gerade seine erste große Teenagerliebe gefunden. Der erfolgreiche Macher und Unternehmer Wenger muss sich aufgrund seines Alters und des Gesundheitszustandes mit seinem baldigen Abgang abfinden. Zu diesem Zweck versucht er, die Nachfolge in seinem Immobilienimperium an seine Kinder weiterzugeben, auch wenn ihm das Loslassen von seinem Lebenswerk sehr schwerfällt. Die ehemalige Olympiasiegerin Verena hat ihre besten Sportlerjahre auch schon länger hinter sich und kämpft nun als Mitdreißigerin mit einem durch den Leistungssport induzierten Herzproblem. Auch Jenny hatte schon immer gesundheitliche Probleme mit dem Herzen, aber leidet auch an ihrer Kinderlosigkeit. Plötzlich ist sie schwanger und hat keine Ahnung ob von ihrem Lebensgefährten oder dem Kollegen, mit dem sie sich auf einen One-Night-Stand eingelassen hat. Ach ja, und dann fehlt natürlich auch noch Wissenschaftler Martin, der das Medikament zur Herzmuskelregeneration erfunden hat, dieses erstmals in einer Studie an Menschen, respektive an den oben genannten Fällen probiert und als verantwortungsbewusster Pionier auch sich selbst und seinen Hund Charles als Versuchskaninchen in die Studie aufnimmt. Schlussendlich gibt es noch die Vorsitzende des Ethikrates Miriam, die das Thema von den ethischen und gesellschaftlichen Positionen beleuchtet. Alleine bei der Beschreibung der Ausgangssituation und der Protagonisten sieht man schon, wie sehr eine solche Konzeption das Tempo des Romans bremst, denn jede einzelne Figur hat über weite Strecken auch einen eigenen Handlungsstrang. Allmählich kommt heraus, dass das von Martin entwickelte Medikament nicht nur den Herzmuskel regeneriert, sondern als ungeplante Nebenwirkung alle Zellen des Körpers verjüngt, was nicht nur zu positiven Auswirkungen bei den Protagonisten führt. Verena gewinnt mit einem Weltrekord einen All-Star-Senior-Wettkampf und wird des Dopings angeklagt, Jennys Kind wächst nicht mehr in ihrem Bauch, weil es sich auch verjüngt und ist in Gefahr, Jakob entwickelt sich vom Teen wieder zurück vor die Pubertät, was nicht gerade förderlich für seine erste Liebe und die geplanten Sex-Erfahrungen ist und Wengers Familie hat die Schnauze voll vom Patriarchen, der plötzlich wieder fit ist, seinen Platz nicht räumen will und nicht in Pension gehen möchte. Dann kommt doch etwas Leben in die etwas zähe Story, denn junge Aktivisten entführen Martin, zwingen ihn, das Medikament in großer Serie zu produzieren und verteilen dieses wahllos weltweit unter der jungen, armen Bevölkerung. Als Martin wieder freigelassen wird, werden die restlichen Probanden der Medikamentenstudie vom Staat aus Sicherheitsgründen eingesperrt, da es viele Begehrlichkeiten gibt, ihnen ihr Blut und den Wirkstoff abzujagen. Martin bekommt inzwischen die medizinischen Probleme mit Jenny und Jakob in den Griff und findet heraus, dass seine Patienten hermetisch abgeriegelt irgendwo kaserniert sind. Ein paar Plottwists, die gesellschaftlichen Implikationen, wie das Medikament die Welt verändert und ein Happy End liefert uns der Autor auch noch, wobei ich in der vom Autor selbst angesprochenen Thematik der enden wollenden Ressourcen unseres Planeten mit einer Menschheit, die nicht mehr stirbt, viel zu wenig Auseinandersetzung mit der Realität und die Diskussion der Folgen verorte. Der von Maxim Leo präsentierte Ansatz war mir zu wenig zu Ende gedacht und zu optimistisch gezeichnet. Fazit: Die Ausgangsvoraussetzungen und die Idee des Romans fand ich grandios, bei der Umsetzung gibt es bedauerlicherweise noch gehörig Luft nach oben in Plotkonzeption, Tempo und Schlussfolgerungen. Dennoch fand ich den Umstand, dass mich der Autor dazu gebracht hat, mich mit dem Thema geistig mal auseinanderzusetzen, recht spannend.