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awogfli

Posted on 26.3.2024

Was Barbara Rieger in ihrem Roman Eskalationsstufen, der eine verhängnisvolle Affäre beschreibt, ausgezeichnet gelungen ist, ist die Dramaturgie, zumindest bis zum Finale. Die Autorin erzeugt einen Lesesog durch wabernde Drohszenarien, die aus dem Hintergrund allmählich anschwellen, ähnlich wie bei den Horrorfilmen diverse gruselige Soundeffekte, die sich Schritt für Schritt bis zum Crescendo steigern und die Nerven flattern lassen. Bedauerlicherweise war mir persönlich dann das Ende bei all der subtil versprochenen Dramatik zu wenig mit Bums, Gewalt, und Eskalation. Worum geht es? Protagonistin und Sprachlehrerin Julia lebt schon lang in einer eingefahrenen, recht langweiligen Beziehung mit Consultant David. Sie hat sehr viel Freiraum, weil ihr Lebensgefährte die ganze Woche irgendwo in Europa Firmen berät und nur am Wochenende für die Beziehung verfügbar ist. Julia ist auch sonst nicht wirklich zufrieden mit ihrem behäbigen, bürgerlichen Leben, denn sie ist eigentlich Künstlerin, die Sprachschule sichert ihr nur ihren Lebensunterhalt. Auf einer Vernissage lernt Julia den exzentrischen Maler Joe kennen und beginnt eine heftige Affäre, die irgendwann auffliegt. Julias langjähriger Partner David lässt sich das nicht gefallen, schmeißt sie raus und in der Not zieht Julia Hals überkopf bei Joe ein. Dann beginnt Schritt für Schritt das Unvermeidliche, das langsam drohend im Hintergrund wabert und diese gewaltige, gewalttätige Grundstimmung als Sog erzeugt. Julia wird immer abhängiger, Joe trennt sie sehr subtil von Freunden und Familie, er wird immer fordernder. Sie reduziert sogar auf Veranlassung Joes ihre Stunden in der Sprachschule, um sich mehr der Kunst widmen zu können, macht sich also auch finanziell abhängig. Oft hat sie Blackouts und Schmerzen im Unterleib. Als der Corona Lockdown kommt, ziehen beide in Joes einsame Hütte irgendwo im Nirgendwo und die Situation eskaliert tatsächlich, wie im Titel punktgenau definiert, stufenweise weiter durch Einsamkeit, Quarantäne, fehlende externe Kontakte, Aggressionen und Übergriffe. Eine Tötung der ersten Ehefrau von Joe steht auch im Raum, Alkohol und Drogen fachen das ganze explosive Szenario weiter an. Das ist so grandios beschrieben: Die Hütte, der meterhohe Schnee, der eine Kontaktaufnahme mit der restlichen Zivilisation verhindert, der Lockdown, das frustrierte, sich belauernde Paar, das Trinken, die subtile und auch dann tatsächlich ausbrechende Gewalt. Richtig gutes Kino. Mein letzter Kritikpunkt ist sehr persönlich, denn mir fehlt halt die letzte Eskalationsstufe, ich bin da dann schon von der Fraktion, wenn schon fiktive Gewalt, dann bitte ordentlich und definitiv kein Ende ohne Mord und Totschlag. Aber wie gesagt, das ist eine sehr persönliche Einstellung. Fazit: Absolut lesenswert, wenn man die Entwicklung einer toxischen Beziehung Schritt für Schritt verfolgen möchte. Nichts für zarte Gemüter. Ich kann mir in diesem Fall schon die österreichische Verfilmung bildlich vorstellen und hab sogar die Hauptdarsteller im Kopf.

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