Dagmar
Neongrau – in dieser Wortschöpfung steckt schon alles, was den SF-Roman von Aiki Mira auszeichnet. Kühle Technik, poetische Sehnsucht und das Ausloten von Zwischentönen. Aber auch der starke Wille, etwas Neues zu erschaffen – zum Beispiel ein besseres Leben. Für sich, für nahestehende Menschen, für alle. Das halb abgesoffene Hamburg im Jahr 2112 ist eine unschöne, aber logische Weiterentwicklung der Welt von heute. Doch das Leben geht weiter. Die Wohnungen haben Fluttüren, es gibt ein paar Fähren mehr. Ratten mutieren. Die Kommentare auf Social Media sind immer noch toxisch, weswegen das Miteinander in privaten Chats gelebt wird. Das Bedürfnis nach Flucht aus dem Alltag ist groß. Gaming Events füllen die Stadien und die Subkultur trifft sich in leerstehenden Häusern und halb unter Wasser stehenden Tunneln. Die Gesellschaft ist diverser geworden und bleibt doch den alten Vorurteilen verhaftet. Mittendrin Jugendliche, die zu einer Clique zusammenwachsen könnten, eine Familie, die keine mehr ist, und VIPs, deren Leben nicht mehr ihnen gehört. Wenn ein Buch Cyberpunk-Elemente enthält, ist der Vergleich mit William Gibson nicht weit. »Neongrau – Game over im Neurosubstrat« hat etwas, was ich bei Gibson immer vermisst habe: nahbare Figuren. Während Gibsons Protagonisten mir meist wie eine Projektionsfläche für seine Gesellschaftsentwürfe erscheinen, schreibt Aiki Kira über real wirkende Personen. Die Held*innen sind echte Menschen, mitten in einer Entwicklung und voller Widersprüche.