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Die Nacht, in der das Wasser kam „Das Wasser schiebt sich die Elbe hoch. Zu Hause kriegen sie bestimmt wieder nasse Füße.“ (S. 12) Die Matrosen des Feuerschiffs Elbe 1 merken am Nachmittag des 16.2.1962 als erstes, dass der Sturm Vincintette für Hamburg gefährlich wird. Kurze Zeit später kommt die Sekretärin Marion von ihrer Arbeit im Polizeihaus nach Hause in die Laubenkolonie HH-Wilhelmsburg, wo sie seit dem Krieg mit ihrer bettlägerigen Mutter lebt. Ein Nachbar hört 17 Uhr im Radio die Warnung vor dem Sturm und als gegen 22.30 Uhr ein anderer Nachbar vom THW zum Einsatz gerufen wird, meldet sie sich freiwillig im Polizeihaus – noch nicht wissend, dass sie es für 2,5 Tage nicht mehr verlassen können wird. Mit den ersten Warnungen wird die Bereitschaftspolizei wird in gefährdete Gebiete geschickt, um die Bewohner zu wecken und in Sicherheit zu bringen, nicht bedenkend, dass die Flüchtenden die Straßen verstopfen und Rettungskräfte behindern. Um 22.05 Uhr brechen die ersten Deiche, um 1 Uhr fallen der Strom und die Telefone aus. Der Hubschrauberpilot Georg Hagemann und seine Kameraden fliegen am nächsten Morgen auf eigene Verantwortung los, nachdem sie stundenlang in Alarmbereitschaft waren, aber wegen des Sturms keine Starterlaubnis bekommen. Da der neue Polizeisenator Helmut Schmidt nicht in Hamburg ist, leitet Polizeioberrat Martin Leddin die Organisation der ersten Einsätze, bis Schmidt am Morgen übernimmt. Um 3 Uhr erfährt Marion, dass die Kolonie nicht mehr zu retten und ihre Mutter wahrscheinlich ertrunken ist. Dann wird sie Schmidt als Sekretärin zugeteilt und bekommt alle Informationen und beunruhigenden Ausmaße der Sturmflut und ihrer Vernichtungen noch vor der Presse zu hören. „Wir sind nicht für zivile Rettungseinsätze gerüstet …“ (S. 208) Anja Marschalls historischer Roman „Als der Sturm kam“ ist nichts für schwache Nerven und zeichnet erschreckende Bilder der damaligen Ereignisse. Sie berichtet vom unerträglich Leid der Betroffenen, von in der Nacht vom Wasser überraschten Bewohnern, von immer leiser werdenden Hilferufen aus überfluteten Häusern, von Menschen, die auf ihren Dächern oder in Bäumen ertrunken oder erfroren sind, von Rettern, die ihr Leben für andere gaben. Sie erzählt von ganz normalen Menschen, die über sich hinauswuchsen und zu Helden wurden („Helfen hält einen davon ab, verrückt zu werden.“ (S. 311)), von der Nachbarschaftshilfe der Eingeschlossenen und anderen, die nur ihr eigenes Wohl im Sinn hatten. Und von Helmut Schmidts Alleingang, als er die Alliierten und die Marine um Hilfe bittet, die er aus seiner Zeit im Verteidigungsausschuss kennt. Sie hat für ihr Buch einen ungewöhnlichen Stil gewählt, der an ein Sachbuch oder einen Zeitstrahl erinnert, und die Vorgänge in zum Teil sehr kurzen Kapiteln aus der Sichtweise verschiedener Personen an unterschiedlichen Orten im Minuten- bzw. Stundentakt erzählt. Das verdeutlicht die Dringlichkeit der Situation und die vielfältigen Bemühungen, das Drama in den Griff zu bekommen. Daran musste ich mich beim Lesen erst gewöhnen, allerdings packt einen das Erzählte schnell und dann kann man nicht mehr aufhören. Geschickt bindet sie reale, hervorragend recherchierte Fakten in ihre Handlung ein und erzählt, wie Hamburg damals aussah und die Menschen lebten. Mir war z.B. nicht bewusst, dass auch fast 20 Jahre nach Kriegsende noch so viele Menschen in Kleingärten u.ä. wohnten und die Deiche nur provisorisch repariert worden waren. Ein sehr spannendes und aufwühlendes Buch über die Sturmflut von 1962 und eine faszinierende Studie über das Verhalten von Menschen.