awogfli
Was habe ich mich gefreut, als mir dieses Buch unvermittelt in den Schoß fiel, habe ich doch die Vorgänger-Kurzgeschichtensammlung Miss Kim weiß Bescheid sehr genossen, beziehungsweise hat sie mich sogar zu Lobliedern hingerissen. Deshalb kann ich nicht nachvollziehen, warum so viele meiner Buchfreunde von diesem Roman so begeistert sind, denn ich habe mich leider recht ordentlich gelangweilt. Und das Schlimmste bei dem Umstand ist, dass ich zwar mehrere mittlere Irritationen ausmachen kann, aber nicht ein paar grobe Schnitzer, die mir meine sehr klare Ablehnung beschert haben. Es ist wahrscheinlich die große Summe der Kleinigkeiten, die mich so gestört hat. Die alleinstehende Protagonistin Mani ist Mitte dreißig, gerade arbeitslos geworden und lebt noch immer bei Mami und Papi im Haushalt. Die ganze Familie ist nie aus dem Prekariat herausgekommen, der Vater fristet als recht unerfolgreicher Kleinst-Unternehmer sein Dasein, die Mutter arbeitet nicht und nun fällt auch noch das Gehalt der Tochter, das zum Familieneinkommen beigetragen hat, einfach aus. An diesem Punkt in ihrer Biografie lässt unsere Hauptfigur ihr Leben von der Kindheit an Revue passieren. Man muss schon sagen, die beschriebene koreanische Familie ist zwar arm, aber definitiv nicht komplett toxisch oder dysfunktional. Sie haben zwar ernsthafte wirtschaftliche Probleme, gehen aber trotzdem sehr partnerschaftlich miteinander um und lieben ihre Tochter, der sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles finanzieren, teilweise sogar über das Machbare hinaus. Mani möchte nämlich Kunstturnerin werden, hat aber keinen Funken Talent zu diesem Sport. So investieren die Eltern Unsummen, die sie sich nicht leisten können, in ein teures nutzloses Luxus-Hobby, das nie Früchte tragen wird. Was ich hier schon nicht verstanden habe, ist der Umstand, dass arme Familien normalerweise ja zwar versuchen, ihre Kinder zu ermächtigen, zu fördern und zu unterstützen, aber meistens dann auch so bodenständig sind, schnell zu erkennen, ob der teure Unterricht tatsächlich fruchtet, weil Talent vorhanden ist. Die Unterschicht hat einfach meist genug Verstand, um Geld, das sie sich eh nicht leisten können, nicht unnütz zu vergeuden. Nicht so in dieser Familie. Mani wird unter Aufbringung höchster Opfer immer weiter gepampert, bis sie nach Jahren und vergeudeter Summen aufgibt. Hätte sie eine Sprache gelernt oder wäre das Geld in eine andere Ausbildung geflossen, wäre die Familie wahrscheinlich sogar aus der Armut herausgekommen. Hier kann ich nur sagen, selbst schuld und ich weiß, wovon ich spreche, denn ich selbst konnte nie den Beruf wählen, den ich wollte, weil er zu wenig einbrachte, sondern musste immer das arbeiten, was ich konnte und was Geld brachte. Nun aber zu den Kritikpunkten. Zuerst wird recht wüst im Leben unserer kleinen Protagonistin vor und zurück gesprungen, was schon meine erste Entfremdung mit der Figur manifestierte, dann wurden nur Szenen aus dem Leben, manchmal sogar recht groteske Situationen beschrieben, die mir zwar gefielen, aber an der Oberfläche blieben. Der innere Antrieb der Familienmitglieder, die Psychologie der Handlungen und Einstellungen, die Tiefe aller Figuren bleibt bedauerlicherweise unerforscht. Sogar im Nachgang wird nie analysiert, was die Eltern da gebissen hat, wegen der Kunstturnerei nicht früher einzugreifen oder auch wie die Ehe wirklich funktioniert. Alles plätschert mit ein bisschen Armut, Lokalkolorit und ein paar witzigen Alltagsgeschichten an der Oberfläche herum. Ich hatte nie eine irgendwie geartete Beziehung (das darf übrigens bei mir auch durchaus eine sehr negative sein) zu einer der handelnden Personen, insbesondere zu Mani. Und da ist dann der Punkt erreicht, neben den nicht chronologischen, teilweise ein bisschen unmotivierten Szenensprüngen, an dem mich dann eine bleierne Müdigkeit packt, die in gähnender Langeweile mündet. Am Ende verkaufen sie ihr altes Haus, ziehen alle an den Stadtrand und verbessern nur marginal ihre Armutssituation. Und sonst passiert gar nix. Keine Analyse, keine Veränderung, kein Plot – Nada. Punkt, aus, basta. Und ich stehe noch immer völlig ratlos da, weil ein paar wenige hochgeschätzte Buchfreunde von mir vier bis fünf Sterne vergeben haben. Fazit: Diesmal gibt es beim besten Willen überhaupt keine Leseempfehlung von mir. Lest die Kurzgeschichtensammlung Miss Kim weiß Becheid , die ich zu Begin der Rezension erwähnt habe, die ist sensationell, aber nicht diesen Roman, bei dem mir die Füße eingeschlafen sind.