awogfli
Da wundern sich sogar die Eisbären Eines möchte ich gleich vorausschicken, ich habe den ersten Band zu Kalmann nicht gelesen. Das bringt mich nun einerseits nicht in die Gefahr, darüber zu lamentieren, dass die Ausgangsgeschichte so viel besser und zurückhaltender war, wie ich es sehr oft vernommen habe, sondern lässt mich den neuen Roman tatsächlich ganz solitär beurteilen. Andererseits könnte es sein, dass mir natürlich ein bisschen Kontext aus der Vergangenheit, insbesondere zur Figur Kalman fehlt. Zweiteres habe ich nicht so empfunden, denn ich kannte mich sehr schnell aus, dass unser Protagonist ein Mensch mit besonderen Bedürfnissen ist, der auf Grund seiner Anlagen und seiner Behinderung anders als viele Andere durchs Leben geht, aber dennoch seinen Mann voll integriert in die isländische Gesellschaft stehen kann. Das hat mir gut gefallen. Dennoch bin ich nicht restlos glücklich mit dieser Story. Die Krimihandlung und der Umstand, wie der Autor Schmidt seinen Protagonisten in sehr unwahrscheinliche Kalamitäten und Weltereignisse stolpern lässt, hat sehr stark etwas von Forrest Gump. Das mag ja jetzt zwar ganz gut in mein Konzept passen, denn ich mag normalerweise satirischen Räuberpistolen mit Unwahrscheinlichkeitsantrieb und ich muss tatsächlich vor dem Autor den Hut ziehen, wie er seine Figur zum Beispiel in den Sturm auf das Kapitol in den USA oder auch in eine Bum-Bum Agentengeschichte hineinzieht. ABER: Wie passt das mit der feinen sensiblen Integrationsgeschichte eines Behinderten zusammen. Zumal auch kein Fünkchen Satire zu orten ist, die Räuberpistole sich also todernst nimmt. Hier passen meiner Meinung nach die Genres überhaupt nicht zueinander, da sind zu viele Zutaten in das literarische Potpourri hineingekippt worden und haben das Gesamtwerk verwürzt. Kallmanns Großvater ist alt und senil in einem Altersheim gestorben. Unser Protagonist glaubt, er sei ermordet worden und hat letztendlich Recht. Zwischendurch herrscht Corona-Pandemie und Kali lernt endlich seinen leiblichen Vater kennen, indem er ihm einen kurzen Besuch in den USA abstattet, der mit FBI-Verhören und Abschiebung endet. Am Ende wird in einem furiosen bleigeschwängerten Finale, eine große Spionage-Verschwörung in Island aufgedeckt. Sprachlich ist der Roman wundervoll in gewohnter Schmidt-Qualität, die Landschaft ist grandios beschrieben und auch die Figuren sind liebevoll entwickelt, aber der unwahrscheinliche Agenten-Plot passt einfach meiner Meinung nach gar nicht zu den Figuren, insbesondere zur gesamten ambitionierten Geschichte mit Botschaft. Fazit: Auch wenn ich den ersten Band gar nicht kenne, wage ich dennoch auf Grund der Rezensionen meiner Buchfreunde, ihn eher als diesen Roman zu empfehlen. Ansonsten natürlich trotzdem eine qualitativ recht solide Geschichte – ganz der Schmidt eben – mit einigen großen Irritationen meinerseits.