awogfli
Dieser Roman enthüllt im Rahmen der Fiktion sehr viel Privates aus dem Leben des großen Dichters und Universalgelehrten Johann Wolfgang von Goethe. Das ist vordergründig interessant, denn die historische Persönlichkeit auch ein bisschen intimer kennenzulernen, auch wenn alles basierend auf historischen Aufzeichnungen nur erfunden ist, ist durchaus nicht unspannend. So ein Konzept hat mir schon bei Tell von Joachim B. Schmidt oder auch bei Gauß und Humboldt in Die Vermessung der Welt von Daniel Kehlmann sehr gut gefallen. Leider waren in diesem Roman die tiefen Einsichten in die Psyche des Dichters und der Plot nur über kurze Strecken begeisternd. Des Öfteren waren die Stories banal und ein bisschen langweilig. Der Meister ist ob seiner vielen Verpflichtungen überarbeitet, oft sehr ungeduldig und grantelnd, lebt in einer sehr guten, liebevollen Beziehung zu seiner Frau Christiane, die er aber in der Gesellschaft nicht wirklich einführen kann, weil sie nicht ganz standesgemäß ist. Zudem plagen den alternden Gelehrten einige Zipperlein, wie beispielsweise Hämorrhoiden. Als er von einer Studienreise aus der Schweiz zurückkehrt, stellt sich heraus, dass er unter einer massiven Schreibblockade leidet. Als dieses Problem eskaliert und Goethe für einen Festakt ein Gedicht abliefern muss, hilft durch die kluge Intervention von Christiane sein unsympathischer Schwager Vulpius mit ein paar Reimen aus. Diese sind zwar nicht in der Qualität, wie der Meister normalerweise abliefert, aber sie reichen für solch ein banales Fest. Goethe zeigt sich aber nicht dankbar, sondern eher verärgert, da er nun in der Schuld des ungeliebten Schwagers steht. Der Einstieg in die Geschichte hat mir sehr gut gefallen und erinnerte mich irgendwie an Schtonk, als Adolfs Tagebuch gefälscht wurde. Nach einer sehr lustigen Sexszene wird der Plot dann a bisserl langweilig, denn es geht noch immer um Aversion Goethes gegen Vulpius, um seine Schreibblockade, wie er sie vertuschen kann und um organisatorische Widrigkeiten in einigen seiner vielzähligen Jobs. Erst ab Seite 200 wird die Handlung wieder interessant, als sich Goethe dem verhassten Schwager endlich offenbart und dieser tatsächlich einen guten Psychotrick parat hat, wie der Meister die Angst vor dem weißen Blatt Papier überwinden kann. Nach ein paar weiteren Verwicklungen gibt es dann auch noch ein Happy End, das in einem großen Familienfest und in der Fertigstellung des Faust mündet. Fazit: Der Roman ist privat, amüsant, aber nicht begeisternd, manchmal sogar ein bisschen langweilig. Für zwischendurch aber eine leichte, lustige Lektüre, die schnell weggelesen werden kann. Bedauerlicherweise messe ich den Autor mittlerweile an seinem Halbbart, der mich letztes Jahr sehr begeistert hat. Nachtrag: Ich bin nach langen Diskussionen auf Lovelybooks draufgekommen, dass ich zu wenig deutsche Literaturgeschichte in Österreich mitbekommen habe, um die subtilen Anspielungen überhaupt zu checken, da fehlt mir offensichtlich einiges an Kontext. Als Österreicherin macht man die Situation in Weimar nicht durch, wir haben ja eine eigene Literaturgeschichte insofern kannte ich Vulpius gar nicht und bekam hier eben die Ironie nicht mit. Originalzitat einer guten Buchfreundin: „In Deutschland ist Weimar ein beinahe heiliger Ort ( Goethe!! Schiller!!! Wieland! Herder!) und jeder pilgert dahin wie nach Bethlehem zu Weihnachten. Der Vulpius, der Fürst … alle unsterblich…😂… und hier herrlich respektlos dargestellt…“