Profilbild von awogfli

awogfli

Posted on 5.11.2023

Schauerroman meets Body Horror: tiefe Einblicke in Anorexie, Bulimie und Fresssucht Ein sehr ungewöhnlicher Roman mit einem innovativen Setting, zusätzlich eine außergewöhnliche Konzeption aller Figuren inklusive ihrer grandios tiefenpsychologisch analysierten Probleme und mit einem spannenden Drama in drei Akten, das mich bezüglich der Plotwendungen extrem verblüfft hat, aber nicht ganz so sehr, als dass die Handlung völlig unwahrscheinlich konzipiert wurde. Fast möchte ich hier eine sehr grausame, dramatische, und psychologisch tiefgehende Opernaufführung konstatieren, die mir ausnehmend gut gefallen hat. Beim Thema Oper sind wir auch punktgenau, denn die Protagonistin Isabella ist eine Opernsängerin, die auf Grund ihrer Fresssucht in eine Essstörungsklinik in der Nähe von Wien eingewiesen wird. Dort trifft sie vor allem auf ANA-Teenager (Anorexiekranke) und MIAS (Bulimiekranke). Sie unterscheidet sich insofern von den restlichen Patienten, da sie als einzige dick ist und auch viel älter und gefestigter als die meisten anderen. Eingeliefert wurde sie, weil in der heutigen Zeit sehr dicke Opernsängerinnen nicht mehr gefragt sind, es zählt nicht nur die Stimme, sondern auch das Aussehen. Daher bekam Bella immer weniger Engagements und ihre berühmte Gesangslehrerin wollte auch nur mehr unter der Bedingung mit ihr zusammenarbeiten, dass sie ihre Fresssucht in den Griff bekommt. Eigentlich ist Isabella auch gelegentlich Bulimikerin, aber da sich das Erbrechen so schädlich auf ihre Stimme auswirkt, lässt sie es besser bleiben. Unsere Protagonistin stößt erst nachträglich zu der Therapiegruppe der Essgestörten und hat zweierlei Nachteile, sie ist die einzige Dicke in der Gruppe und die Gruppenbeziehungen zwischen den anderen haben sich zudem schon verfestigt. So wird sie als Fremdkörper und als fettes Monster gesehen, das keine Disziplin kennt. Zu Beginn findet alles noch einigermaßen im Rahmen statt, man kann einander nicht unbedingt gut leiden, beschnuppert sich ein bisschen, ein paar Animositäten und auch ebenso Annäherungen treten auf. Mein Lesefreund Alexander war schon sehr gespannt, wie die gefestigte erwachsene Opernsängerin die Gruppe der Kids aufmischt. Doch weit gefehlt! Hier präsentiert uns die Autorin im zweiten Akt den ersten Plottwist, denn die ANA-Teenagergören mobben die fresssüchtige Opernsängerin so nachhaltig, dass sogar ihre Karriere in Gefahr ist. Als sie sich in völliger Verzweiflung ausnahmsweise der Bulimie hingibt, erkennen sie sie endlich als eine der Ihren an und wollen ihr das Abnehmen beibringen. Die erwachsene Protagonistin kippt da voll rein, findet aber nach und nach den Verstand wieder. Wie schwer es ist, gegen die Gruppe anzukommen, zeigt auch, dass diese ANA- und MIA Anhängerinnen sogar dem Klinikpersonal und den Therapeuten auf der Nase herumtanzen, sie starten trotz aller Kontrollen und Therapie sogar eine Online-Verhungerchallenge. Im dritten Akt führt die Autorin dann auch noch eine Pandemie ein, die vor allem die Therapeuten und das Klinikpersonal ausknockt. Die essgestörten Mädchen sind durch einige Manipulationen plötzlich völlig alleine ohne Aufsicht in der in Quarantäne befindlichen Klinik. In dieser Phase bewährt sich die erwachsene Protagonistin und sie kann einige Personen retten. Das spannende Finale, das einem Thriller gleicht, beinhaltet ein paar Elemente, die man fast schon der Fantasy zuordnen kann, aber sie sind glaubwürdig in den Plot eingewoben. Was hier aus meiner Rezension bisher nicht hervorgeht, ist der Umstand, dass jede einzelne Figur ganz wundervoll tiefenpsychologisch gezeichnet ist, man erfährt tatsächlich, welche Traumata die Patienten dazu gebracht haben, sich bis auf die Knochen abzumagern oder auch wie Freunde, der Job und Social Media die Essstörung hervorgerufen, beziehungsweise befeuert haben. Das hat die Autorin ausgezeichnet umgesetzt. Auch von ihrer Sprachfabulierkunst bin ich sehr begeistert. Fazit: Wärmste Leseempfehlung! Spannendes, anspruchsvolles, innovatives Psychodrama mit Thrillereffekten im Finale. Ich hab das Buch auf einen Haps verschlungen. (Analogie zur Fresssucht beabsichtigt 🙂 ) Zwei Anmerkungen möchte ich auch noch machen, der Titel Monstrosa ist wahrlich gut gewählt und passt wie maßgeschneidert auf die Protagonistin und die Klappentext Beschreibung ist auch so treffend, dass ich sie mir glatt vom Verlag für den ersten Teil der Überschrift „ausgeliehen“ habe 😉 .

zurück nach oben