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awogfli

Posted on 29.8.2023

Ein großartiges Buch mit ausgezeichneten Beiträgen zum Thema Frauen in den Wechseljahren, die alle handwerklich wundervoll konzipiert sind. Objektiv, literarisch und auch sonst gibt es kaum etwas zu kritisieren. Da haben sich sehr viele ältere Autorinnen und auch bekannte Kapazunder, wie Barbara Frischmuth, Marlene Streeruwitz, Ruth Cerha, Zdenka Becker und viele andere mehr Geschichten zum Thema Wechseljahre ausgedacht und eloquent Frauenschicksale in dieser Lebensphase beschrieben. So, und jetzt fragt Ihr Euch, ob ich durchgeknallt bin, oder mich vertippt habe, weil ich bei der Sammlung, die sich eigentlich fünf Sterne verdient hätte, nur drei Sterne gebe. Ich sage es ehrlich, ich verstoße diesmal ausnahmsweise aus persönlichen Gründen völlig gegen mein eigenes Bewertungsschema, weil mir die Tonalität der Geschichten nicht passt. Darf ich nicht? Doch! Sind mein User und meine Rezension. Warum mache ich das? Ich bin selber in dieser Phase und hätte mir mehr Optimismus und Hoffnung von dem Buch erhofft. Es ist absolut grausam und niederschmetternd, was die Protagonistinnen hier im Wechsel Furchtbares durch ihre Partner und die Umwelt erleben, das raubt fast jede Hoffnung auf ein weibliches Altern in Wertschätzung. Die einzige positive Geschichte kommt von Ruth Cerha. Die Protagonistin wurde ausnahmsweise nicht von der Gesellschaft als unsichtbar behandelt, ausgenutzt und von ihrem Mann verlassen. Die Ehepartner nehmen diese Phase mit Humor. Das ist der einzige optimistische Lichtblick in einem absolut deprimierenden Werk. Normalerweise habe ich nichts gegen solche Problem-Literatur, im Gegenteil, ich schätze sie, aber da ich gegenwärtig grad selbst so betroffen bin, triggert mich diese pessimistische Tonalität sehr und ich konnte das Buch nicht genießen. Mit etwas Abstand ist das vielleicht anders, aber derzeit gar nicht. Dabei gibt es durchaus kluge Denkansätze wie diesen hier: „Mitunter erinnert mich, was geschieht an die Pubertät. […] Zweite Pubertät - was aufgebaut wurde wird nun abgebaut, was kam, wandert aus und produziert dabei Symptomatiken von einst. Auch das Rotwerden des Gesichts mag an die Pubertät erinnern, wenngleich es anders begründet ist. […] Pubertät wie Wechseljahre sind komplexe Prozesse körperlicher Veränderungen. […] Dreißig Jahre und mehr: reproduktionsfähig. Dreißig weitere Jahre und mehr: nicht reproduktionsfähig. Stattdessen ein wunscherfahrener Körper. Ein in seinen weiblichen Funktionen in unterschiedlichsten Weisen und Maßen „benutzter“ Körper. Ein gelebter, sich weiterhin auslebender Körper. Fazit: Diesmal bin ich sehr ungerecht und weiß es auch. Grad nicht meine Zeit für dieses Buch, aber sicher sehr wertvoll für andere, denn es ist ausgezeichnet geschrieben, Alle Autorinnen haben sehr gut abgeliefert.

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