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Das innovative Konzept des Wildkräuterkochbuchs Wildes Wien wird nun im Rahmen von Süßes Wildes Wien auf Wildobst und Kräuter im Bereich Desserts umgelegt. Worum geht es bei diesem Werk? In der Großstadt Wien dürfen und können im öffentlichen Bereich einige Wildkräuter und Wildobst frei geerntet werden. Die Autorin stellt nicht nur die Pflanzen vor und entwickelt sehr ungewöhnliche Desserts aus den Zutaten, sondern das Kochbuch bietet zusätzlich eine Art Wanderanleitung durch die Großstadt Wien, demonstriert, wo die Pflanzen zu finden sind, frei geerntet werden dürfen und welche historischen Hintergründe den Orten, wie öffentliche Parks, Schlossgärten, Gebäude etc. zugrunde liegen. Im Prinzip ist das Buch eine Mischung aus Wildkräuter- und Wildobstbestimmung, Dessertrezepten, Wandervorschlägen und Reiseführer. Das hat mir schon beim Vorgängerbuch ausnehmend gut gefallen. Im kulinarischen Bereich ergeben sich durch die wild wachsenden Zutaten auch sehr kreative und äußerst ungewöhnliche Gerichte, wie zum Beispiel Nachspeisen aus: Taubnesseln, Holunderblüten, Holunderbeeren, Dirndln (Kornelkirschen), Kriecherln (eine wilde Pflaumenart), Maulbeeren, Thymian, Wiesensalbei, Labkraut, Wilden Haseln, Walnüssen, Tannen- und Fichtennadeln, Walderdbeeren… . Der Ablauf ist immer folgendermaßen strukturiert: zuerst wird die Location mit der Geschichte vorgestellt, dann die Bestimmung der Wildpflanze mit ihren Wirkungen und anschließend sehr kreative Rezepte und Backanleitungen präsentiert. Zu den Locations muss noch etwas dazugesagt werden, viele können sich möglicherweise nicht vorstellen, dass in einer Großstadt wie Wien, das Pflanzensammeln gesund sein kann. Hundeauslaufzonen, mit Autoverkehr stark belastete Zonen, private Locations und Naturschutzgebiete werden selbstverständlich explizit ausgeklammert. Ein begeisternder Aspekt des Vorwortes neben der Einleitung von klassischen Backbüchern mit Küchenausstattung und sonstigen Grundlagen ist die Zero Waste-Philosophie. Da beim Backen immer Eiklar übrigbleibt, wird gleich zu Beginn auf Rezepte zur Eiklarverwertung hingewiesen. Am meisten begeistert haben mich die Taubnessel-Rezepte, wie zum Beispiel Taubnesselpowerballs und Creme Caramel mit Taubnesseln, die Holunderblütenzabaione, die ich ohnehin schon seit Jahren so ähnlich mache, die Maulbeerrezepte, das Dirndl-Wein-Gelee und die Tannen- und Fichtennadel-Desserts, wie zum Beispiel die Tannen-Malakoff-Torte und das Tannen-Eis. Habt Ihr auch gewusst, dass Labkraut, Milch gerinnen lässt, ohne tierisches Lab? Das hatte ich noch gar nicht auf dem Schirm. So geht es munter weiter, denn durch die ungewöhnlichen Zutaten ergeben sich da natürlich sehr spannende und zumindest von mir noch nie probierte Aromen für die Nachspeise. Die Veilchen in der Wiener Hermesvilla, die Kaiserin Sisi geliebt hat und die bereits im ersten Band mit ein paar Rezepten thematisiert wurden, hätte ich persönlich nochmals hineingenommen, denn in den Dessertband sollten sie einfach Eingang finden; weil sie so punktgenau passen. Normalerweise bin ich ja überhaupt nicht für Redundanzen, aber hier ergeben sie Sinn. Man hätte ja neue Dessert Variationen präsentieren können, wie Veilchen Schnitten, Veilchen Torten, Veilchen Kuchen, Veilchen Bonbon, Veilchen Bowle, Veilchen Gespritzter… Manche Rezepte werden sogar in zwei Varianten präsentiert, wenn eine vegane Version möglich ist. Fazit: Spannend, informativ, innovativ, übersichtlich präsentiert, verständlich beschrieben und zudem nachhaltig, das ist voll im Trend. Das Konzept vom ersten Band hat sich bewährt. Mit diesem Buch ist erneut eine äußerst gelungene Mischung aus Wildobst- und Wildkräuterbuch, Back- und Dessertbuch, Wanderplan mit spannenden historischen Abrissen zu Locations gelungen. Zudem gespickt mit Rezepten für die modernen, urbanen, aber auch ländlichen Jäger- und SammlerInnen, die in die Kategorie Dessert-Schleckermäuler einzuordnen sind und die sich nach erfolgreicher nachhaltiger Nahrungsbeschaffung in der Umgebung in die Küche stellen, um zu Backen und andere Nachspeisen mit sehr neuartigen Aromen und kreativen Zutaten zu zaubern. Doppelempfehlung für die Augen und den Magen, lasst Euch die Köstlichkeiten auf der Zunge zergehen!