
awogfli
Dank der begeisterten Rezensionen meiner Mitstreiterin Bri auf unserem Blog Feinerbuchstoff, wollte ich auch endlich mal in Kent Harufs fiktives Holt reisen, und ich bin richtig begeistert. Habe erfahren, dass dieser Band chronologisch eigentlich der erste der Reihe ist und dass nun der Zyklus der Veröffentlichungen beendet sein soll. Was freue ich mich jetzt schon, auch die anderen Geschichten aus dieser amerikanischen Kleinstadt zu entdecken und muss ein bisschen hämisch grinsen, denn ich habe ja, im Gegensatz zu anderen, die restlichen Meisterwerke aus dieser Reihe allesamt noch vor mir. 😉 Doch nun zum Lobgesang auf diesen Band. Haruf schafft es meisterhaft, die Weite des Landes, die Armut, die harte Arbeit auf den Farmen, den unbedingten Überlebenswillen in einer feindlichen Umwelt, die Gesellschaft im Ort und die Protagonisten einzufangen und zu vermitteln. Sehr tief sind alle Figuren entwickelt und sie sind allesamt sehr vielschichtig. Nie gibt es holzschnittartige Charaktere, die Guten weisen enorme Schwächen auf, sie entwickeln sich auch oft durch die Umstände in eine andere Richtung und auch die Bösewichte haben ihre schwachen Momente. Es menschelt ordentlich in Holt. Das ist überhaupt ein zentrales Thema in diesem Roman: Schicksalsschläge überwinden, weitermachen, überleben, furchtbare Rahmenbedingungen akzeptieren lernen oder auch nicht und gegen sie rebellieren. Zudem gibt es in dieser Geschichte noch den Aspekt einer großen, innigen Liebe, die durch die Umstände und durch einen bösartigen, gewalttätigen Vater nie gelebt werden kann. Nichtsdestotrotz haben sich die Protagonisten irgendwie eingerichtet und stattdessen eine über mehrere Generationen anhaltende innige Freundschaft entwickelt. Edith Goodnough hat ihren Bruder getötet. Eigentlich sollte diese Tat aus menschlichen Gründen in der Gemeinde unter den Tisch gekehrt werden, aber der Reporter einer Zeitung aus Denver stöbert alles auf. Nun wird Ediths wahre Geschichte von ihrem gewalttätigen Vater, ihrem Bruder und ihrer großen Liebe John Roscoe von dessen Sohn Sanders Roscoe erzählt. Das ist harter Tobak, so wie das Landleben eben war, aber nicht auf effektheischend getrimmt, sondern halt sehr leise, subtil und manchmal sachlich grausam erzählt, mit ganz viel Liebe und Freundschaft zwischendurch, Realität halt. Ich liebe alles an dem Buch: das teilweise gemächliche Tempo, die Figuren, die gesamte Handlung, die Sprache und die bildhafte Beschreibung des Landlebens. Es ist fast so, als wäre man dort. Fazit: Grandios, geerdet, bodenständig, so wie der trockene Boden in Colorado, der mit ein bisschen Bewässerung in guten Jahren aufblüht, dann wieder vertrocknet und in ganz schlechten Jahren zu wenig zum Überleben lässt. Absolute Leseempfehlung!