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awogfli

Posted on 16.7.2023

Wie schon angekündigt, habe ich nun auch den Nachfolgeroman von Kukum über die Inuit in Kanada mit dem Titel Maikan gelesen und diese Geschichte ist ebenso großartig und sehr zu empfehlen. Eine grausame Story, die umso dramatischer und furchtbarer ist, da mittlerweile auch aufmerksame Nachrichtenkonsumenten in Europa mitbekommen haben, dass genau diese Verbrechen und noch schlimmere tatsächlich in den von der Umwelt abgeschotteten kirchlichen Umerziehungsheimen, in denen die Kinder der indigenen Bevölkerung Kanadas, die ihren Eltern geraubt und zur „Deprogrammierung“ interniert wurden, passiert sind. Das schockierendste an diesen unvorstellbaren Gräueltaten ist aber der Umstand, dass dieses Vorgehen nicht in vergangen Jahrhunderten, sondern fast bis zur Jahrtausendwende, also bis 1996 von der kanadischen Regierung praktiziert wurde. Erst nach und nach wird das dunkle Kapitel der Geschichte Kanadas aufgearbeitet und auch näher hingeschaut. In den Fokus gestellt, ergibt sich nun ein noch dramatischeres Bild, denn es wurden Massengräber mit bisher insgesamt mehr als 1000 Kinderleichen in einigen Internaten gefunden. Der Roman bekam erst kürzlich wieder aktuelle Brisanz, da die letzten Gräber erst 2021-2022 entdeckt wurden. https://www.derstandard.at/story/2000127087758/kanadas-dunkles-kapitel-mit-seiner-indigenen-bevoelkerung Wundervoll baut der Autor auch dieses Mal wieder den Plot auf. Im Zuge der Aufarbeitung der kanadischen Regierung, spielt ein Handlungsstrang fast in der Gegenwart, ergo im Jahr 2013, in dem die Wirtschaftsanwältin Audrey Duval pro bono unbekannte Innuit-Klienten vertritt, die diese Horror-Heime überlebt haben und von der Regierung Reparationszahlungen bekommen sollen. Sie hat einige bereits aufgespürt, viele sind bereits gestorben, einige schwer auffindbar, denn sie sind infolge ihrer Traumata und Entwurzelung in die Obdachlosigkeit gerutscht, einigen konnte sie mit Zahlungen helfen. Audrey hat sich die Insassen des Internats Fort George ausgesucht und versucht gerade, die letzten drei ehemaligen Kinder, die sie mit dem Indianer-Register abgeglichen hat, aufzuspüren. Aber das ist gar nicht so einfach, den diese drei Personen sind wie vom Erdboden verschluckt. Es handelt sich um Marie, Virginie und Charles, die 1936 ihren Familien entrissen wurden. Eine dieser drei Personen ist übrigens ein Verwandter des Autors. Im heftigen Handlungsstrang der Vergangenheit werden wir in die Situation des Umerziehungslagers gestoßen. All die Traumatisierungen, die Gewalt, die Boshaftigkeit der katholischen Erzieher, die Vertuschungen, das Wegsehen jener, die sich am Kindesmissbrauch nicht beteiligen, der Hunger der Kinder, die infolge der mangelnden finanziellen Ausstattung durch den Staat ständig unterversorgt sind und die Kälte sind schwer zu ertragen, denn sie werden detailliert und grausam geschildert. Auch die Angst der Kids, ihre Vermeidungsstrategien, Verletzungen und Traumata präsentiert uns der Autor sehr sensibel und psychologisch tief und konsistent entwickelt. Wir reden hier im Heim von Fort George nicht nur von Züchtigungen, drakonischen Strafen und Boshaftigkeit, sondern auch von systematischer Vergewaltigung durch die Ordensleute, sowohl von Jungen und Mädchen und von Vernachlässigung, Unterversorgung bis zum Tod der Kinder. Ein Inuitleben ist in Fort George keinen Cent wert. Dazu kommt noch diese unsägliche Deprogrammierungsinitiative, die in sektenartiger Gehirnwäsche ausartet. Die Kinder werden bestraft, wenn sie ihre Muttersprache sprechen, die Eltern werden ständig als wilde Tiere und Dummköpfe diffamiert, die die Kinder freiwillig im Stich gelassen haben. So wird eine weitere ausweglose Abhängigkeitssituation erschaffen und die Kids dahingehend beeinflusst, dass sie mit Ihren Eltern beim jährlichen Besuch kein Wort mehr reden, weil sie ihnen nicht mehr vertrauen. Wenn ich mir die ganze Internatssituation anschaue, dann ist sie grausamer und dichter beschrieben, als in Ishiguros Anstalt in Alles, was wir geben mussten, als junge Menschen derart gehirngewaschen werden, dass sie freiwillig ihre Organe spenden. Das Horrorinternat von Ishiguro ist fast schon ein Urlaubsspaziergang im Gegensatz zum real existierenden Fort George, das definitiv als die Hölle auf Erden bezeichnet werden kann. Irgendwann treibt die Anwältin Audrey Marie auf, die am Ende der Welt völlig abgewrackt als Messie und Alkoholikerin auf ihren Tod wartet. Die traumatisierte Frau spricht seit Jahren kein Wort mit irgendjemand im Dorf in der Einöde. Durch Beharrlichkeit erfährt Audrey endlich die wahre Geschichte über das Schicksal der drei Freunde und zuletzt wird schlussendlich die Vergangenheit aufgearbeitet. Großartig geschrieben, sprachlich wundervoll. Einige Wendungen im Plot sind sogar ein bisschen überraschend, wenn auch irgendwann vorhersehbar. Der Titel ist auch wohlgewählt, denn Maikan bedeutet Wölfe in Innu-Sprache. So haben die Kinder ihre missbrauchenden und misshandelnden katholischen Erzieher in Fort George genannt. Fazit: Absolut lesenswert, wenn auch sehr heftiger Buchstoff. In Anbetracht der Tatsache, dass die dargestellte Handlung zumindest im Plot-Strang der Vergangenheit überhaupt keine Fiktion ist, noch viel mehr eine Leseempfehlung.

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