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awogfli

Posted on 18.4.2023

Stefan Slupetzky hat es wieder geschafft, moderne Themen mit einem Kriminalroman zu verknüpfen, ohne dabei gar zu sehr auf den Zeitgeistzug aufzuspringen. Gleich im ersten Kapitel arbeitet er elegant das Thema Corona und Ukrainekrieg ab, mit dem Versprechen, es nachher nicht mehr zu erwähnen, woran er sich auch gehalten hat. Trotzdem geht es ganz modern um eine Schwurblersekte, die sich von ominösen Infrarotstrahlungen in Ampelanlagen bedroht fühlt. Die militante Gruppe hat den Hund jenes Consultants entführt, der das Leitsystem der Wiener Ampelanlagen programmiert hat und von dem sie behaupten, dass er in den Programmier-Code Infrarotbotschaften geschmuggelt hat, der die Menschen beeinflusst und zu Zombies macht. Durch das Dognapping wollen sie den Consultant erpressen, die Geheimbotschaften zu offenbaren. Diese sehr innovative Analogie zu Chemtrails hat mir sehr gut gefallen. Anstatt überall Essig zu versprühen, tragen die Sektenmitglieder Brillen mit blaugetönten Gläsern, um sich vor der Strahlung und den Botschaften zu schützen. Bedauerlicherweise für die Gruppe hat sich ein tierliebes, weibliches Sektenmitglied erbarmt, bringt den Mops zum Lemming in Sicherheit und wird prompt ermordet, ebenso wie der Consultant. Nun haben der Lemming und der Polivka den Wauwau auf dem Hals, den sie beschützen müssen, weil die Sektenmitglieder ihn noch immer haben und sezieren wollen. Zwei Aspekte bezüglich des Krimis haben mir dieses Mal nicht gefallen. Erstens bietet der Plot zwar sehr viel rasante Action inklusive Explosionen, was sich sicher in Hollywood gut verfilmen ließe, aber der eigentliche Kriminalfall ist eher mau, weil die Täter von schon zu Beginn klar ersichtlich sind. Sorry da bin ich leider Puristin, wenn Krimi draufsteht, will ich auch alle Komponenten eines Krimis haben und da zählt lustiges Mörderraten einfach zu den Hygienefaktoren, die unbedingt erforderlich sind. Zweitens ist der Lemming diesmal so schwer von Capé, dass ich mir schon gedacht habe, er ist in seinem Job als Ermittler schon a bisserl deplatziert. Fast einen ganzen Tag denkt er, dass er krank ist und seine Halluzinationen von einem Tumor oder einer geistigen Störung herrühren, ohne darüber nachzudenken, dass eventuell der augenscheinliche Kautabak, den er irgendwo in seinem Ladengeschäft gefunden und konsumiert hat, möglicherweise irgendeine psychodelische Substanz beinhaltet. Wer ist schon so naiv und zieht sich irgendeine fremde Substanz rein, die er in einem Lager gefunden hat. Vor diesen Gefahren haben uns schon unsere Eltern gewarnt. Und dann auch nicht draufkommen, dass die komischen Halluzination in eindeutiger zeitlicher Abhängigkeit zum Kautabakgenuss stehen. So eine Plot Entwicklung ist nicht charmant naiv, sondern für einen erwachsenen Ermittler einfach unglaubwürdig. Dazwischen gibt es noch eine rührende Geschichte mit Lemmings ehemaligen Kollegen aus dem Schönbrunner Tierpark, dem Pokorny, die mir sehr gut gefallen hat. Der Krimi bietet völlig überraschend einen selbstlosen Helden an. Sprachlich rennt natürlich wieder der allseits geliebte Wiener Schmäh auf hohem Niveau, da hat der Slupetzky selbstverständlich nichts an Qualität eingebüßt. „Was leider auch auf ein weiteres Thema zutrifft, das die Welt seit Monaten in Atem hält: den unseligen Krieg in Osteuropa. Diesmal allerdings kein Krieg, der auf den Intensivstationen und in den medizinischen Laboren ausgefochten wird, sondern ein regelrecht archaischer, anachronistischer Gewaltausbruch (anachronistisch für die meisten Europäer jedenfalls). Von einem alternden, mit Botox aufgespritzten Rottweiler in Moskau angezettelt, wirkt dieser Eroberungskrieg wie eine Schellackplatte in einem CD-Player.“ „Ist es tatsächlich schon halb sieben Uhr früh? Der Lemming blinzelt in das trübe Morgengrauen, stützt sich an der Schreibtischkante ab und streckt den Rücken durch. Der Schmerz fährt ihm durch alle Glieder: Eine neunundfünfzig Jahre alte Wirbelsäule sollte man nun einmal nicht auf einem Neunundfünfzig-Euro-Stuhl zur Ruhe betten.“ Fazit: Durch die Schwächen im Plot diesmal nur drei Sterne.

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