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Mona Ameziane hat als halbe Deutsche und halbe Marokkanerin ein sehr persönliches und unaufgeregtes Buch über ihre geteilte Identität, beziehungsweise ihr Leben zwischen den Welten geschrieben. Inhaltlich und von der Tonalität her erinnert die Erzählung an Saša Stanišićs Herkunft, die Autorin erwähnt das Buch sogar. Wortmalerisch und mit den Sprachspielereien kommt es natürlich bei weiten nicht an ihr Vorbild heran, muss es aber auch gar nicht, denn dadurch ist es viel privater, was dann eine eigene Qualität und Einzigartigkeit begründet. Ich war fast bis zum Ende sehr angetan von dieser Geschichte. Ihre Biografie und ihre Gedanken sind insofern auch sehr erzählenswert, denn Ameziane lebt genau das, was sich die Gesellschaft in Deutschland als gelungene Integration vorstellt. Sie fühlt sich ebenso als Deutsche mit all ihrer deutschen Identität als auch als Marokkanerin. Ihre Eltern haben ihr ganz vorbildlich nie eine Kultur oder auch eine Religion übergestülpt oder aufgedrängt. Sie durfte schon als Kind immer als Gast und Grenzgängerin zwischen den Gesellschaften agieren, sich aus einem riesigen Angebot die besten Werte, Lebensarten und Rituale aussuchen, sie hatte sogar die Freiheit, sich völlig anderem Glauben und gesellschaftlichen Werten zuzuwenden. Mona ist in der Pubertät auch ein Jahr in Marokko zur Schule gegangen, wenngleich sie zugibt, dass die abgeschottete, behütete Oberschicht in Marrakesch ganz wenig mit der normalen Bevölkerung des Landes gemein hat. In vielen Geschichten thematisiert sie ihr Aufwachsen, ihren Lebensweg, ihr Glück, ihre Erziehung und auch ehrlich ihre Probleme. Das hat mir richtig gut gefallen. Wie zum Beispiel der Umgang mit Alkohol und wie ihr muslimischer Vater und Großvater hier mit ihr interagieren und wie der Druck der Peer-Group in Deutschland von der anderen Seite ausgeübt wird. Auch die msulimische, beziehungsweise katholische Religion und der Umgang mit Frauenrechten wird völlig unaufgeregt besprochen und gezeigt, dass es hier auch einen Kompromiss zwischen den Welten geben kann. So lebt Mona Ameziane schon von der Kindheit an beide Konzepte, zwar kritisch und mit Abstand, aber durchaus auch integriert. Die Großeltern wurden bei ihrem Marokkoaufenthalt auch angehalten, nicht fundamentalistisch zu agieren, sondern dem Kind die lange Leine zu geben. Mona bespricht aber auch durchaus die Probleme, wenn kulturelles Verständnis zwangsläufig aufeinanderprallt, wenn sie sich in einem Loyalitätskonflikt befindet, weder geliebte Menschen brüskieren möchte, noch sich durch Lügen und Vertuschung anpassen kann. Auch beschreibt sie ebenso die Fremdheit in jungen Jahren, da sie sich durch die vielen kulturellen Angebote und der frühen Entscheidungskompetenz, die ihre Familie ihr gab, oftmals auch ein bisschen überfordert fühlte. Sie saß auch manchmal zwischen den Stühlen, weil ihr niemand vorschrieb, welches Konzept sie wählen sollte.. "Damals, neben dem Treppchen, konnte ich nicht wissen, dass ich irgendwann einmal sehr froh darüber sein würde, nicht Becker zu heißen, und ich konnte auch nicht wissen, dass die Pubertät Dinge mit sich bringen würde, die weitaus komplizierter sein sollten als ein Nachname mit zu vielen Vokalen. Zum Beispiel Alkohol, Partys und Jungs, das Bermudadreieck besorgter Väter von Nevada über Finnland bis nach Kasachstan, Marokko explizit inbegriffen und noch mal unterstrichen." So nebenbei werden auch sehr schön die wesentlichen Unterschiede in den Gesellschafen herausgearbeitet, natürlich anhand der Stereotype, die ohnehin die meisten Leute kennen, weil wir sie sehen, erlebt haben, oder sie uns erzählt wurden, aber auch durch völlig überraschende kulturelle Unterschiede, von denen ich noch nie gehört habe. Am besten war die Geschichte vom Tod und dem Begräbnis der beiden Großväter: dem deutschen und dem marokkanischen Opa namens Basidi, dessen Dach für diesen Roman titelgebend war. Auch das Lämmer-Schlachtfest war so ein kultureller Clash, der sehr überraschend und interessant war. Insgesamt ein richtig gutes, lehrreiches, angenehm zu lesendes Buch bis zum vorletzten Kapitel. Die Autorin schwadroniert bedauerlicherweise auf den letzten Seiten, wie man ein gutes Ende in ein Buch schreibt, und meinte, sie hätte lange darüber nachgedacht. Hätte sie sich lieber noch länger Gedanken darüber gemacht, denn ihre gewählte Version ging für mich total daneben. Dieser wirre Traum, den sie erzählt, schließt für mich nicht ab, bildet keine Zusammenfassung, keine Klammer, gibt keine Botschaft weiter, gar nichts. "Ich habe in meinem Leben schon sehr viele Enden von Büchern durchlebt. Einige haben mich mit Gewalt nach draußen auf den Bordstein gespuckt, andere wollten mich entschlossen in Richtung Ausgang schieben, von wieder anderen wurde ich zögerlich fast zärtlich über die Schwelle getragen." Hätte sie sich wenigstens für eine der drei Varianten entschieden, von mir aus sogar für die erste. Wäre noch immer besser gewesen, als der kryptische für mich nichtssagende Traum. Fazit: Leseempfehlung bis auf das letzte Kapitel. …. Wenngleich, Moment! Vielleicht lest Ihr es doch und erklärt mir dann, was dieser Traum mit dem Buch zu tun hat. In Traumdeutung war ich nämlich immer schon sehr schlecht.