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Zeit für einen Neuanfang „Ja, der Tod vom Hans hat uns alle verändert.“ (S. 273) Vor 5 Jahren ist Lenis Bruder kurz vor der Geburt seines Sohnes Peter bei einem Autounfall umgekommen, seitdem leben der und seine Mutter Charlotte bei Leni und ihrer Mutter Käthe. Käthe führt immer noch ihren kleinen Frisörsalon im Ort und Leni arbeitet im Salon Keller am Hofgarten in München. Als sie wie abgesprochen Käthes Salon übernehmen soll, schickt ihr Chef sie zu einem dreimonatigen Praktikum zu Vidal Sassoon nach London. Charlotte war früher Mannequin und arbeitet jetzt als Gemeindesekretärin, von ihrem alten Leben kann sie nur noch träumen. Doch dann vermittelt Leni sie als Assistentin an Maria Bogner vom gleichnamigen Modelabel. Endlich hat sie wieder mit Mode zu tun, kann ihre Kreativität und ihren Einfallsreichtum einbringen. Schon an ihrem ersten Tag dort lernt sie den Fotografen Walter Marquart kennen, der ihr bald den Hof und Fotos von ihr macht. Aber kann sie einen anderen Mann als Hans lieben und in ihren alten Beruf zurückkehren? Julia Fischer hat mich sofort in den Bann der Swinging Sixties und von Lenis Familie gezogen. Ihr Leben scheint seit Hans‘ Tod still zu stehen, lediglich der kleine Peter, um den sich die drei Frauen und sein Patenonkel Schorsch liebevoll kümmern, sorgt für Abwechslung und Aufregung. Doch Lenis Praktikum und Charlottes neuer Job wirbeln alles gehörig durcheinander. „Manchmal liegt im Fortgehen mehr Segen als im Bleiben.“ (S. 476) Das Leben, die Mode und die Musik sind in London so ganz anders als in Deutschland und eine Offenbarung für Leni. Sassoon verpasst ihr einen neuen Haarschnitt und Mary Quandt eine neue Garderobe, bei deren Anblick Käthe die Hände über dem Kopf zusammenschlägt. Und Leni wird wieder bewusst, was sie aus ihrem Leben machen wollte. „London war ein Abenteuer gewesen, eine Reise, die Leni zu sich selbst geführt hatte…“ (S. 183) Der Plan von ihrem eigenen Salon nimmt Gestalt an. Sie will darin nur mit ihren selbst entwickelten Produkten von „Landmann Kosmetik“ arbeiten. Kann sie die Münchner mit diesem Konzept überzeugen? In den 1960ern befindet sich Deutschland im Aufschwung, die Röcke werden kürzer und die Frauen unabhängiger. „Sie waren Märchenprinzessinnen und Pippi Langstrumpf in einem.“ (S. 112) Aber so frei sich die Frauen auch fühlen könnten, die Vorstellungen ihrer Mütter sind noch fest in ihren Köpfen verankert und es dauert, sich davon zu lösen. Eins meiner Lieblingszitate des ersten Bandes war: „Das Glück sollte leicht sein.“, aber es fällt ihnen immer noch nicht leicht, sich einzugestehen, was sie glücklich macht. Leni fühlt sich ihrer Mutter verpflichtet und hat Angst, sie zu verletzen, wenn sie deren Salon nicht übernimmt. Charlotte glaubt, dass ihr Dasein als Mutter nicht mit einem Vollzeitberuf oder gar der Arbeit als Fotomodell zu vereinbaren wäre. Und ein neuer Mann in ihrem Leben? Lange undenkbar. Auch die Männer in diesem Buch haben es nicht leicht. Schorsch ist seit Jahren in Leni verliebt, die gerade ihre große Liebe Karl wiedergetroffen hat. Walter hat ein Geheimnis, dass er aus Rücksicht auf seine Eltern noch nicht lüften kann. „Aber wie konnte er eine Zukunft planen, solange er seine Vergangenheit in einem Koffer versteckte und sich selbst hinter dem Namen seiner Mutter?“ (S. 40) Und Lenis Chef Alexander muss wegen des §175 achtgeben … Julia Fischer lässt eine sehr spannende Zeit wieder lebendig werden, die Musik, die Mode und natürlich die Frisuren (meine Mutter trägt heute noch den Vidal Sassoon Bob), die Stars und Sternchen, die Wiedereröffnung der Münchner Staatsoper und die Olympische Winterspiele in Innsbruck, das Attentat auf JFK und den Besuch der Queen in München. Und wie schon im ersten Band hat sie ihre Figuren unglaublich toll entwickelt, man fühlt und leidet mit ihnen mit, durchlebt das Auf und Ab ihrer Gefühle und kann ihre Beweggründe jederzeit nachvollziehen. Das Buch ist wieder sehr emotional und war leider viel zu schnell auserzählt. Ein weiteres #lesehighlight der Autorin. Schade, dass es keinen dritten Band mehr geben wird.