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Dagmar

Posted on 16.12.2022

Ja, ich kann mich noch gut an die Zeit in meinem Leben erinnern, damals mit 13, 14 Jahren. Während die Erwachsenen sich große Mühe gaben, Zuversicht und Kompetenz auszustrahlen und mir zu zeigen, dass alles ganz einfach sei, wollte ich sie am liebsten anfauchen: Seht ihr denn nicht, dass die Welt wunderbar komplex und vielschichtig ist, ein Labyrinth voller Abenteuer, die es zu erleben gilt? »Sommerwaldfunkeln« von Antonia Katt nimmt diesen jugendlichen Blick auf das Leben ernst. Es ist zauberhaft und realistisch, spannend und einfühlsam, tiefsinnig und voller Albernheiten – es ist alles außer eindimensional! Das zeigt sich schon am Stadtwald des Provinz-Kaffs, in das Malin etwas überstürzt mit ihrer Mutter zieht. Der Wald ist Jogger-Strecke, Naherholungsgebiet und Hundeklo. Er ist aber auch der Abenteuerspielplatz für Kinder. Was nur wenige wissen: Er ist die Heimat der Anderen, magischer Wesen, die dort verborgen vor dem Blick der Menschen leben. Nur einmal im Jahr öffnet sich ein Tor für einen ausgewählten Sommergast. Doch kaum was im Leben der Anderen geschieht ohne Eigennutz. Welche Pläne verfolgen sie mit Malin? Ist »Sommerwaldfunkeln« nun ein Fantasy-Roman für Jugendliche? Das entscheiden allein die Leserinnen und Leser, da das Buch allen einen ganz eigenen Zugang anbietet. Es lässt sich als Fantasy-Geschichte mit sehr überraschenden Wendungen lesen. Oder als Outdoor-Abenteuerroman, denn ohne Pfadfinder-Grundkenntnisse verläuft man sich schnell im Wald. Als Außenseiter-Freundschaftsgeschichte, weil zunächst nur Flora bereit ist, sich mit Malin anzufreunden. Als Coming-of-Age-Erzählung über die Zeit im Leben, wenn die Eltern schwierig werden. Als Mystery-Thriller über ein dunkles Geheimnis, denn Malin hat etwas angestellt, was den plötzlichen Umzug ausgelöst hat. Als Parabel über das, was Generationen verbindet. Und Shakespeare schaut auch noch um die Ecke … Doch keines der Handlungselemente beansprucht die Vorreiterrolle. Wohin der eigene Leseweg durch den Sommerwald führt, entscheidet jede*r für sich. Mein Leseweg führte mich sehr tief in den Wald. »Sommerwaldfunkeln« war über Monate hinweg mein Genussbuch – das Buch, dass ich in ganz kleinen Häppchen lese. Wie gerne habe ich abends ein Kapitel gelesen, um dann mit Bildern des Waldes vor meinen Augen einzuschlafen! Ich habe alles getan, das Ende des Buches hinauszuzögern. Ich glaube, mein inneres Kind wollte den Sommerwald gar nicht mehr verlassen. Jetzt bin ich durch – und habe den Wald einfach mit in mein wunderbar komplexes Leben genommen. (Diese Rezension erschien zuerst auf meinem Buchblog GeschichtenAgentin.de)

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