Profilbild von awogfli

awogfli

Posted on 25.11.2022

In Kurt Palms Universum, Fans nennen es auch Palmistan, sind fast alle Protagonisten ordentlich kaputt. Drei voneinander getrennte Handlungsstränge werden gepflegt und in einem blutigen Finale zusammengeklöppelt. Da ist zuerst die schnapselnde Lehrerin Franziska Steinbrenner, die in einen Rosenkrieg mit dem depressiven KV (Amtssprech für Kindesvater) verwickelt ist und sich im Rahmen ihres Berufes mit ziemlich üblen Unterschichtsfratzen*, die meisten mit Migrationshintergrund, herumschlagen muss. Zur Nervenberuhigung genehmigt sich Franziska des Öfteren heimlich ein kleines Schlückchen aus ihrem Flachmann im Lehrerzimmer. Ansonsten versucht die überforderte Franziska, ihr schwieriges Leben zu meistern, den Exmann unter Kontrolle zu bringen und den Kampf um die Tochter und die Besuchsrechte möglichst friktionsfrei über die Bühne zu bringen, den Schülern nicht nur Lehrerin, sondern auch Sozialarbeiterin, Therapeutin, Freundin und Motivationstrainerin zu sein. Polizist Philipp Hoffmann hat sich in eine verhängnisvolle Affäre, sehr ähnlich der zwischen Glenn Close und Michael Douglas im gleichnamigen Film begeben. Er weiß selbst nicht, warum er seine hochschwangere Frau mit Lena, einer Zeugin, die er auf einer Hundewiese kennengelernt hat, betrogen hat. Er kommt aber nicht mehr los von der jungen Verführerin, die ihn sexuell extrem antörnt, ihm nun zu allem Überfluss auch noch die Pistole auf die Brust setzt und ihn zu einer richtigen Beziehung erpressen will. Lena hat auch genügend Munition und Druckmittel für die Erpressung, da Philipp sehr viele Beweise in Form von Dick-Pics und Dirty Talks auf ihrem Handy hinterlassen hat. Im dritten Handlungsstrang sitzt ein unidentifizierter Mann in seiner Wohnung und sinnt in Gedanken nach Rache, an denen die Leserschaft teilhaben darf. Er ist der Paradetyp der toxischen Männlichkeit, abgelehnt und verlassen von mehreren Frauen, weil er zu Gewalt neigt, alkoholkrank, pornosüchtig, paranoid, narzisstisch, arbeitslos, kleinkriminell, im Krieg mit allen Nachbarn und extrem empfindlich gegen Lärm. Dieser wütende Verrückte plant mit einem Sturmgewehr, das er beim Bundesheer mitgehen lassen hat, eine Karriere als Amokläufer an der benachbarten Schule. Wie die Handlungsstränge ineinandergleiten werden, ist in dieser Geschichte bedauerlicherweise sehr bald klar und auch total vorhersehbar, wobei mich der Autor schon noch mit dem kreativen Selbstmord des depressiven Exmanns von Lehrerin Franziska überrascht hat. Letztendlich gipfelt alles im absehbaren Massaker an der Schule, in dem der toxische Typ, die Lehrerin, die Schüler und der Polizist zwangsläufig in einem blutigen Finale zusammenkommen müssen, was dem Plot ein bisschen die Spannung nimmt. Die Protagonisten sind wie schon eingangs erwähnt allesamt ziemlich kaputt, jede tiefer beschriebene Hauptfigur hat irgendwo einen ordentlichen Schaden und nahezu alle sind sehr unsymphatisch. Bei der Konzeption der Charaktere spart Palm auch überhaupt nicht mit Klischees. So sind zum Beispiel die Problemschüler mit Migrationshintergrund in Franziska Steinbrenners Klasse ganz typisch und holzschnittartig mit all den gängigen Ressentiments gezeichnet. Fazit: Nichts für Zartbesaitete, gewaltätig, toxisch, derb, verdorben und blutrünstig. Ich war jetzt nicht gerade hellauf begeistert von der Geschichte, aber gelangweilt oder genervt hat sie mich auch durchaus nicht. Lovelybooks Leser Nil hat es in einem Satz kurz und knackig in einer Analogie auf den Punkt gebracht, weshalb ich sein Zitat verwenden werde. „Wer Quentin Tarantino schaut, kann auch Kurt Palm lesen.“ Ich muss an dieser Stelle gestehen, dass ich nur hin und wieder Lust auf die Blutorgien von Tarantino habe und mich dieser Roman vielleicht wirklich zum falschen Zeitpunkt, in der falschen Stimmung abgeholt hat. Schlecht ist er auf jeden Fall überhaupt nicht. P.S.: Eine kleine Anmerkung möchte ich letztendlich noch machen. Ich würde sehr gerne einen Roman über die traumatisierte Sophia Steinbrenner, die Tochter der Lehrerin lesen, denn was der Herr Palm diesem fiktiven Kind an Traumata zugemutet hat, wäre eine Herausforderung für hundert Therapeuten und könnte mehrere Romane füllen. 😉 *Fratz ….unartiges, schelmisches Kind vgl. Göre, Bengel oder Lausbub

zurück nach oben