evaczyk
Dieser Plot hat einen Twist Fängt wie ein woke-Roman an, endet mit subtilem Horror und ein wenig dystopisch: "The other Black girl" von Zakiya Dalila Harris hat mich überrascht. Was halbwegs vorhersehbar und ausgesprochen zeitgeistig wirkte, erhielt in dem Roman über eine junge Afroamerikanerin in der Verlagswelt einen völlig überraschenden, unerwarteten Twist, der das Buch zu einem unberechenbaren Leseerlebnis machte. Das fand ich schon mal ganz großartig und will hier auch möglichst wenig rumspoilern. Der Duft von Kakaobutter, der durch die Büroflure des New Yorker Verlagshauses wabert, ist für Nella das erste Anzeichen, dass sie nicht mehr allein ist. Genauer: die einzige Schwarze im ansonsten reinweißen Umfeld des Lektorats. Dass mit Hazel-May eine weitere Afroamerikanerin für mehr Diversität sorgt, findet sie erst mal großartig. Eine natürliche Verbündete in den versteckten Mikroaggressionen, in rassistischen Stereotypen, die stets ausgeklammert werden, in der "Farbenblindheit", die aus Nella eine Verlagsmitarbeiterin wie jede andere macht, die halt zufällig schwarz ist. Die anfängliche Begeisterung bekommt aber schon bald einen schalen Beigeschmack: Da ist der Enthusiasmus aller Vorgesetzten, der Hazel entgegenfliegt. Die Erfolge nach kurzer Zeit, für die Nella zwei Jahre lang rackern musste. Und die eigenen Komplexe: Ist Nella überhaupt Schwarz genug? Aufgewachsen ist sie schließlich in einer überwiegend weißen Kleinstadt in Connecticut. Wie ihre Mutter ließ sie sich jahrelang die Haare glätten, erst seit sie in New York ist, lässt sie sich die Haare zu einem Afro wachsen, kennt sich mit Styling-Methoden aber nicht wirklich aus. Und obendrein hat sie einen weißen Freund, auch wenn der immerhin zwei lesbische Mütter vorweisen kann. Wie anders ist Hazel - sie kommt aus Harlem, ihre Großeltern lernten sie auch einer Demo der Bürgerrechtsbewegung kennen und mit ihren Dreadlocks kommt sie auch optisch als woke-Galleonsfigur rüber. Klar, dass sie tief eingebunden ist in schwarze Kultur und Tradition, Warum hat Nella dennoch das Gefühl, dass hier irgend etwas nicht stimmt? Und was haben die anonymen Schreiben zu bedeuten, die sie seit der Ankunft Hazels auf ihrem Schreibtisch findet und die ihr nahelegen, den Verlag zu verlassen? Hat Hazel damit zu tun? Ist nur Platz für eine Schwarze? Ein zweiter Erzählstrang, über den hier nicht viel verraten werden soll, wirft anfangs viele Fragen auf und führt später ein in den zweiten und ganz besonderen Plot dieses Buches. Der allmähliche Weg zur Erkenntnis führt zu manchem Aha-Effekt. Und nebenbei dürften insbesondere weiße Leser so einiges über Afro-Hair und seine Herausforderungen lernen. Daneben hält die Autorin mit ihrem Buch den gewünscht progressiven und politisch korrekten Menschen aller Pigmentmischungen wie auch denen, die sich eigener Stereotype nicht bewusst sind, den Spiegel vor - verbunden mit einer Portion Humor und Witz, insbesondere bei den Gesprächen zwischen Nella und ihrer besten Freundin Malaika, die gewissermaßen ihr Rassismus-Kompass ist. Auch so lässt sich über Rassismus und Identität schreiben.