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evaczyk

Posted on 26.8.2022

Europa und Putins Krieg Viele Experten melden sich seit einem halbe Jahr immer wieder zu Wort, um Putin, den Krieg in der Ukraine und die Folgen für den Rest Europas zu kommentieren. Auch Rüdiger von Fritsch, bis 2019 deutscher Botschafter in Moskau, wurde immer wieder befragt. Mit seinem Buch "Zeitenwende" stellt er unter Beweis, wie man ruhig, reflektiert und sachlich über einen Konflikt schreiben kann, der auch hierzulande die Gemüter erregt - auch wenn ich momentan den Eindruck habe, dass sich viele Menschen hierzulande momentan mehr über die Heizungspreise in der nächsten Wintersaison ereifern als über das Schicksal der Menschen in der Ukraine. von Fritsch mag mittlerweile Diplomat im Ruhestand sein, aber mit seinem Text zeigt er, dass er die diplomatischen Töne keineswegs verlernt hat. Besonnen, kritisch und immer auf der Suche nach Lösungsoptionen schildert er Szenarien und Vorgeschichte, teilt seine Einblicke in das Russland Putins, aber auch die Traditionen und imperialen Träume, auf die sich der Herrscher im Kreml bezieht. Der Botschafterposten in Moskau (den, anders als in manch anderen hochangesehenen Hauptstädten stets nur ausgewiesene Karrierediplomaten erhalten), war für von Fritsch vermutlich nicht nur der Abschluss sondern auch der Höhepunkt seiner Laufbahn. Die Welt jenseits der früheren Eisernen Vorhangs ist ihm nicht neu: Er gehört zur Generation der Diplomaten, die von der Ostpolitik Willi Brandts inspiriert wurden, diese Laufbahn einzuschlagen, erzählte er einmal in einem Gespräch. In den 80-er Jahren war er als junger Diplomat in Polen, erlebte dort ein Land, das seine europäischen Träume nie aufgegeben hatte - so wie heute die Ukraine. Und er war deutscher Botschafter in Warschau, ehe er nach Moskau weiterzog. Er bereitete nicht nur als Unterhändler die EU-Osterweiterung vor, sondern erlebte auch, wie in Polen auf die Annektion der Krim reagierte: An der Weichsel und auch in den baltischen Staaten wurden damals umgehend Forderungen nach einer deutlichen Truppen-Präsenz aus Nato-Staaten laut. Warum das infolge der Verträge nach 1989 schwer umzusetzen gewesen wäre, wird auch beim Lesen von "Zeitenwende" klar, auch wenn von Fritsch sich ganz auf die Gegenwart fokussiert. Dabei ordnet er den Konflikt auch in seine geopolitischen Zusammenhänge ein - Russlands Rolle im Nahen Osten seit dem Engagement im syrischen Bürgerkrieg, die Bedeutung Chinas, die Entwicklung in Zentralasien und den Einfluss des Zerfalls der Sowjetunion auf die russische Psyche und Politik. So eindeutig er den Angriff auf die Ukraine verurteilt, so sehr kritisiert von Fritsch Überreaktionen gegen alles Russische, zollt der russischen Kultur Bewunderung und erinnert sich voll Wärme an seine Begegnungen mit russischen Menschen. Gleichzeitig entwirft er mögliche Szenarieren, wie der Krieg enden könnte und welche politischen und wirtschaftlichen Verwerfungen er herbeiführen könnte. Und er setzt auf eine Zukunft, die momentan noch weit entfernt scheint: "Was uns bleibt, ist die Hoffnung auf eine Zeit danach. Wladimir Putin ist zwar Russlands Macht, aber er ist nicht Russland. ... Auch in schwieriger Zeit müssen wir darauf setzen, dass sich in Zukunft Chancen ergeben und Lösungen eröffnen, die sich derzeit höchstens in blassen Konturen abzeichnen. Weder ist ausgemacht, dass Chinas Weg auf Dauer erfolgreich ist, noch dass Russland sich nicht wandelt. Wir müssen an der Zuversicht festhalten, dass die Zukunft besser aussehen könnte, als die sehr begrenzte Einsicht der Gegenwart uns dies vermuten lässt."

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