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awogfli

Posted on 24.8.2022

Eigentlich kann ich diesen Roman in einem Satz kritisieren: Eine wundervolle Idee in Thema, Handlung und Figuren aber leider handwerklich schlecht umgesetzt. Die zwei Erzählstränge, die immer in kurzen Szenen und abwechselnd konzipiert wurden, sind sehr heftig und befassen sich mit der Klimakrise heutzutage und den Auswirkungen unserer Handlungen auf die Welt in der Zukunft. Der erste Handlungsstrang beginnt mit der alten Frau Signe 2017 in Norwegen, als noch immer alle die Erde gedankenlos an die Wand fahren, obwohl wir es besser wissen. Signe reflektiert ihr Leben, das ihrer Eltern und das ihres reichen Ex-Partners Magnus, dem sie mit ihrem Boot verpackte und aus dem Gletscher geförderte Eiskisten in seinem Domizil in der Bretagne als Protest vor die Türe knallen will. Durch das kleine Dorf Eidesdalen zog sich schon seit jeher, als Signe ein kleines Mädchen war, eine Bruchlinie, wie auch mitten durch die Familien. Der Stromkonzern Ringfallen will einen Stausee bauen, den Fluss vom Gletscher in Rohre über Turbinen umleiten und die Natur verwüsten. Signes Vater und der Vater von Magnus stellen sich gegen diese Umweltzerstörung, Signes Mutter, Hotelbesitzerin und als Aktionärin des Stromkonzerns Profiteurin, ist die Umwelt egal, Hauptsache die norwegische Krone rollt und der Tourismus wird angekurbelt. Eine Sabotageaktion des Vaters führt zur Scheidung, Signe bezieht schon als kleines Mädchen gegen ihre Mutter Stellung. In der Studienzeit lebt sie in einer Lebensgemeinschaft mit Magnus und ist als Journalistin aktiv an Umweltprotesten beteiligt, so auch an einem Protestcamp gegen die Zerstörung des Wasserfalles in Eidesdalen. Mittlerweile hat ihre Mutter den Geschäftsführer des Energiekonzerns geheiratet und das halbe Dorf durch Ausgleichszahlungen auf die Seite der umweltzerstörenden Firma gebracht, auch Magnus Vater und letztendlich auch Magnus werden so korrumpiert. Am Ende stehen nur noch Signe, ihr Vater und eine Handvoll Umweltschützer aus der Stadt auf verlorenem Posten gegen den Raubbau an der Natur. Am schlimmsten trifft Signe der Verrat von Magnus, der schlussendlich auch in die Geschäftsführung des Energiekonzerns aufsteigt. Auf dem Weg zu ihm mit ihrem Boot und 12 Kisten Gletschereis von Norwegen nach Frankreich lässt sie auf der langen Fahrt und in einem Sturm ihr Leben Revue passieren Der zweite Erzählstrang startet 2041 mit Vater David und seiner Tochter Lou, als sich Frankreich und ganz Südeuropa zur prognostizierten Feuerhölle entwickelt haben. Die ganze südliche Welt ist auf der Flucht vor Bränden und auf der Suche nach Wasser. Afrika ist schon komplett entvölkert, Südeuropa verdorrt gerade, die Flüchtlinge versuchen, vor den Bränden und vor dem Wassermangel in den Norden zu ziehen, aber die wasserreichen Länder haben ihre Grenzen schon längst dichtgemacht. David hat mit seiner Familie mit der Flucht viel zu lange gewartet. Erst als sein Meerwasser-Entsalzungswerk brennt, verlässt er seine Heimat und verliert auf der Flucht vor den Gluten seine Frau und sein Baby. In einem Flüchtlingslager in der Bretagne wartet er mit seiner Tochter Lou auf seine Frau und sein Baby, was sich aber als aussichtslos herausstellt, denn die beiden sind ziemlich sicher in der Feuerhölle umgekommen, was David aber verdrängt. Irgendwann eskaliert nach und nach auch die Situation im Flüchtlingslager, die Versorgung bricht zusammen, das Aufsichtspersonal ist verschwunden, es entstehen Aufstände und Brände. David und Lou haben Signes Boot in einem Haus in der Nähe des Flüchtlingslagers gefunden und versuchen dort, auf Regen zu warten, durch den sich die Kanäle wieder füllen sollen. Sie wollen mit dem Boot ins Meer segeln und dann über das Wasser in die nördlichen Länder flüchten. Sehr eindrücklich wird die Story in beiden Zeiten beschrieben, die Figuren sind tief entwickelt, dennoch kommt keine Lese-Freude auf. Die Handlung ist gut, aber sie zieht sich zu lang durch viel zu ausladende Beschreibung. A bissi Lektorat und Zusammenstreichen in jeder einzelnen Szene wäre unbedingt vonnöten gewesen und hätte dem Roman zu weit mehr Tempo im Plot verholfen, (zum Beispiel der Hälfte des Sturms und der Aktionen auf dem Boot, die eh nur Segler verstehen, bei der Wasservergiftung von Lou hätte auch nicht jedes Erbrechen und jeder Durchfall bis ins letzte Detail ausgewalzt werden sollen und so weiter). In jeder einzelnen Szene hätte man etwas mehr auf die Tube drücken und straffen müssen. Das Ende ist zumindest im Handlungsstrang des Jahres 2041 etwas zu offen und verwirrend. Auch das muss nicht unbedingt sein, dass die Autorin sich nicht klar ausdrückt, ob das beschriebene Happy End wirklich so passiert oder einer Wahnvorstellung in der Agonie des Verdurstens geschuldet ist. Fazit: Ich werde auf jeden Fall irgendwann die anderen beiden Romane der Autorin der Reihe zum Thema Umweltschutz (Die Geschichte der Bienen und Die letzten ihrer Art) lesen, von denen ich gehört habe, dass sie tatsächlich weitaus besser umgesetzt sind. Denn wie schon gesagt, viel Potenzial hier und wenn die Umsetzung dann auch noch passen würde, wäre das ein richtig begeisternder Roman.

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