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awogfli

Posted on 23.5.2022

Nein mein bester Boyle war das nicht, aber er war gut. Typisch episch breit verwebt T.C. die Vergangenheit im 17. Jahrhundert und eine Gegenwart in den 68er Jahren miteinander zu einer Familiengeschichte von der ersten Besiedlung des Staates New York damals noch Newe Amsterdam über das Geschehen in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart Dabei spannt Boyle genial die Klammer zwischen Vergangenheit und Gegenwart, das Chaos der vielen Figuren lichtet sich aber schon zu Beginn sehr schnell, da es im Prinzip nur um eine Handvoll Familien geht, die bis ins Heute mit den Vorfahren verwandt und im Städtchen Peterskill picken geblieben sind. Im Prinzip wird hier nämlich ein sehr winziges Universum präsentiert, zumal nämlich die Archetypen und Charaktere der Familien sich in der Geschichte wiederholen und sogar die Schicksalsschläge sind ähnlich konzeptioniert. So verlieren die Van Brunts inflationär ihre Beine und neigen zum Verrätertum, die Van Warts werden von Ihren Weibern mit Indianern aus dem Hause Mohonk beschissen, was sich in den Schwarzen Haaren und manchmal auch in grünen Augen (von den Van Brunts in die Indianerlinie gebracht) über die Generationen manifestiert, die Cranes sind Aufwiegler, in der Vergangenheit gegen die Ordnung der Van Warts und in der Gegenwart gegen das Establishment. Bei so viel Duplizität in der Familienchronik kann man die Figuren sehr schnell einsortieren zu welcher Mischpoche sie gehören. Das ganze Werk stellt eine Aufarbeitung der lokalen Geschichte der Region dar, aus der T.C. Boyle stammt es liest sich sehr flüssig und die Seiten fliegen nur so dahin. Beim googeln fällt dann auch auf, dass hier bei weitem nicht alles Fiktion ist, denn die Peekskil Unruhen beim Konzert der Bürgerrechtler, als Nazis friedlich feiernde Menschen vor allem Frauen und Kinder aufklatschten und verprügelten haben auch in der Realität so stattgefunden. Jetzt stellt sich aber die Frage, warum bei all dem Lob dies nicht mein bester Boyle sein soll. Zur Anmerkung, meine Lieblinge sind Wassermusik, America (The Tortilla Curtain), Grün ist die Hoffnung und Wenn das Schlachten vorbei ist. Was mir in World‘s End tatsächlich abgeht, ist der bissige Humor, den ich sonst so von TC gewohnt bin. Dieser bitterpöhse Stil wenn er seine Figuren so richtig fertigmacht - und ich meine hier nicht die armen vom Schicksal gebeutelten Underdogs – die hier im World‘s End permanent nicht vom Fleck kommen, sondern jene, die es echt verdienen, weil sie so reich, so angesehen, so hochmütig sind und sich zudem auch mit moralischer Überlegenheit ausgestattet meinen. Diesen zahlt es Boyle normalerweise so richtig heim, wie Mungo Park, Ned Rise, Der Bobo in Tortilla Curtain, die Tierschützer und die Artenschützerin in Wenn das Schlachten vorbei ist … In World‘s End prasseln die Schicksalsschläge vor allem im 17. Jahrhundert auf die armen unterprivilegierten Würmer ein. Was mir an Boyle immer gefallen hat, ist, dass er in seinen Romanen und Universen einen gerechten Gott namens Karma spielt, der mit denen, die in der realen Welt obenauf sind, gaaanz gnadenlos verfährt, weil sie es verdammt noch einmal so was von verdient haben. In diesem Roman ist er halt wie der echte Gott, der den Minderprivilegierten noch eins zur Zugabe reinwürgt. Das hat mich einfach nicht so erheitert wie in meinen Lieblingsromanen. Ich muss ja zugeben, auch die armen Schlucker erweisen sich letztendlich als Schuldige, Schurken und Unsympathler aber die Van Warts kommen hier einfach viel zu gut weg bei der Story – eine kleine Linie von Kuckuckskindern sind wirklich keine gerechte Strafe für Selbstgerechtigkeit, Überheblichkeit, Raffgier, Intriganz, sinnlose Grausamkeit und 1000 andere schlechte Eigenschaften. Dieser Kritikpunkt von mir hat auch noch einen Unterpunkt. Denn bissiger Humor und die Holländer passen halt auch nicht wirklich zusammen. Da entspricht das Ironieverständnis der Briten schon eher meiner Auffassung davon, was ich persönlich als witzig empfinde. Auch hier hat sich Boyle seinen Holländischen Figuren perfekt angepasst und fast ganz auf grotesk-witzige Szenen und Dialoge verzichtet. Mir ist also Summa summarum die Ironie zu subtil und Boyles Grausamkeit insbesondere mit den reichen Figuren zu wenig intensiv. Der Schöpfer schwächelt bei den Reichen. Fazit: In der Endabrechnung gebe ich verdiente 4 Sterne, kann auch jede Begeisterung für dieses Werk verstehen. Ich mag halt andere Boyles lieber.

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