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Bots sind auch nur Menschen „Lassen Sie sich bitte nicht von meinem menschenähnlichen Äußeren täuschen. Ich bin nur ein Bot! Ich habe keine Gefühle oder sonst irgendetwas, das als <<Seele>> missverstanden werden könnte. Stattdessen wurde ich zu einem höchst leistungsfähigen Zahnarzt programmiert!“ (S. 6) So stellt sich Jared seinen Patienten in Ypsilanti / Michigan vor. Wir schreiben das Jahr 2054. Die Menschen kommen nicht mehr ins Internet, Elon Musk hat den Mond verbrannt, es gibt keine Flugzeuge mehr und kaum noch von Menschen gesteuerte Fahrzeuge (die Fehlerquote war einfach zu hoch), und alle potentiell gefährlichen Arbeiten, die keine Empathie benötigen, werden von Bots erledigt. Bots sind keine Roboter, wie wir sie uns wahrscheinlich vorstellen. Sie werden aus DNA und Zellen aufgebaut und bis zum perfekten Alter vorgereift, brauchen Nahrung, Wasser, Sauerstoff – und Bewegung. Nicht mehr. Und doch stimmt seit einiger Zeit etwas nicht mit Jared. Sein Arzt diagnostiziert eine Depression und sagt, er soll sich einen alten Film ansehen. Der Film bringt Jared zum Weinen. „In neunzig Minuten hatte der alte Film alles gesagt, was über ein ganzes Menschenleben gesagt werden kann.“ (S. 55) Ja, er hat Gefühle! Mit jedem weiteren Film überwindet er die Depression und den Zustand der Automatisierung mehr. Und eines morgens ist er dann plötzlich glücklich. Doch es gibt ein Problem. Obwohl die Menschen die Bots geschaffen haben und sie ständig kontrollieren, haben sie Angst vor ihrer eigenen Schöpfung. Als Jared „auffällig“ wird, soll er resettet oder zerstört werden. Ihm bleiben 10 Tage, um zu beweisen, dass er harmlos ist. Er will einen Film schreiben, „… der die Einstellung der Menschen zu Bots mit Gefühlen ändert!“ (S. 98) Und wo könnte man das besser machen als in LA? Er flüchtet aus seinem Leben und Ypsilanti, besorgt sich eine neue Identität, jobbt neben dem Schreiben in einem Tacoladen und verliebt sich in die Kellnerin Amber. Und damit fangen die Probleme dann erst richtig an … Als ich den Klappentext des Buches gelesen habe, hatte ich kurz Bedenken, dass es in Richtung Dystopie gehen könnte. Doch Simon Stephenson ist es gelungen, eine zukünftige Welt zu erschaffen, die bei allen Endzeit-Ängsten auch Hoffnung weckt. Ja, es hat DEN großen Knall gegeben und viele Menschen wurden getötet. Viele Orte sind von der Landkarte verschwunden oder brennen seit 30 Jahren. Die Welt ist durch die Bots hochtechnisiert, aber diese sehen so menschlich aus, dass man sie nur selten erkennt. Denn alles ist darauf ausgerichtet, es den verbliebenen Menschen so angenehm wie möglich zu machen und Gefahren von ihnen fernzuhalten. Aber da der Mensch ein Feindbild braucht und sich nicht mehr gegenseitig abschlachten soll, werden die Bots als Gegner initiiert. In allen aktuellen Filmen und Nachrichten sind immer die Bots die Bösen, die die Menschen ausrotten und die Weltherrschaft an sich reißen wollen. Und dann kommt da ein mittelalter Zahnarzt-Bot aus einer Kleinstadt und will ihnen klarmachen, dass ihre Sicht der Dinge falsch ist?! Geht gar nicht! „Kurioses über euch Menschen“ hat mich an Sophies Welt erinnert. Was ist real und was nicht? Was passiert in Wirklichkeit und was nur in den Köpfen der Bots oder Menschen? Ich finde das Buch sehr philosophisch. Durch Jared wird uns ein Spiegel vorgehalten, wird uns gezeigt, wie wir Menschen uns untereinander und gegenüber Fremden verhalten, zeigt unsere Fehler und Macken, unseren Neid und Missgunst, unseren Egoismus. Wie wir immer wieder versuchen, andere zu übervorteilen und zu betrügen. Doch das Schlimmste ist unser Selbstbetrug. Hauptsache wir fühlen uns gut und im Recht. Jared wurde neben seinen medizinischen Kenntnissen auch mit Wissen über die Gefühle und Entwicklung von Menschen programmiert. Doch als er die alten Filme sieht und aus seinem Alltag ausbricht, ändert sich seine Sicht auf diese Dinge. Er lebt plötzlich sehr intensiv, macht fast jeden Tag eine neue Erfahrung oder Entdeckung und einen extrem schnellen Prozeß der Selbstfindung durch. Und dann muss er sich der Frage stellen, ob er weiter intensiv und nur noch kurz, oder lange und stumpf „leben“ will … Ein toll geschriebenes, sehr berührendes Gedankenexperiment!