Dagmar
Wenn es auf einem Kontinent alle paar Jahrhunderte die Erde zerreißt – Erdbeben und Vulkanausbrüchen, auf die Hungersnöte und Massenfluchten folgen – wie würde sich dort die Gesellschaft entwickeln? Welche Charaktereigenschaften braucht man, um Katastrophen zu überleben? Wie muss die Siedlungsstruktur sein, wie Landwirtschaft und Vorratshaltung? Und wenn es dort, auf dieser zerrissenen Erde, Menschen geben würde, die mit mentalen Kräften Magma und Gestein beeinflussen können und so Naturkatastrophen abschwächen oder verhindern, aber auch auslösen können – welchen Staus hätten sie in dieser Gesellschaft? Spoiler: Sie sind nicht die herrschende Klasse! Gekoppelt an die Geschichte einer Frau auf einem Rachefeldzug erzählt das Buch von einer Welt, die in Schönheit und Brutalität untergeht. Genau dann, als die Erde zerreißt, verfolgt Essun ihren Ehemann, der die gemeinsame Tochter entführt und den kleinen Sohn ermordet hat. Obwohl „Zerrissene Erde“ ein Buch ist, das mit glaubwürdigen Charakteren und einem Weltenbau, der bis ins letzte Detail stimmig ist, überzeugt, muss man sich doch sehr bewusst auf diese Leseerfahrung einlassen. Denn einfach macht es dieser Roman dem Leser zunächst nicht. Ein unbekannter Erzähler spricht die Protagonistin direkt an. Das liest sich ungewohnt. Bald springt die Handlung an einen anderen Ort zu einer anderen Frau. Drei werden es insgesamt und es dauerte lange, bis ich ahnte, wie all das zusammenhängen wird. Denn ich blieb beim Lesen dem Abenteuer verhaftet und weigerte mich, die großen Sinnfragen dahinter zu erkennen: Was muss geschehen, damit ein Mensch eine ganze Welt der Zerstörung preisgibt? Und wie muss eine Welt sein, damit es sich lohnt, sie vor der Vernichtung zu retten?