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awogfli

Posted on 22.2.2022

Da das Buch offensichtlich stark polarisiert und ich vor ewigen Zeiten sowohl ein eingefleischter Matt Ruff als auch H.P.Lovecraft Fan war, wollte ich endlich mitreden können und habe das Buch jetzt auch gelesen. Möglich gemacht hat dies ausnahmsweise das Team von yourbook.shop, die normalerweise keine Bücher nach Österreich senden, weil bei uns ja das Porto mehr kostet als eine Taschenbuchausgabe und die es trotzdem irgendwie geschafft haben, dass mich dieser Roman, den ich mir mit Bonuspunkten von mehr als 350 ausführlichen Rezis erarbeitet habe, trotz dieser Widrigkeiten postalisch erreichte. Der Wein in der Wachau für das so engagierte Team steht – bitte unbedingt melden. So, nun habe ich mir eine eigene Meinung bilden können und muss bedauerlicherweise in den Tenor der Kritiker einstimmen. Matt Ruffs Genre-Mix hat bei mir überhaupt nicht funktioniert. Das ist ja sowieso so ein DING des Autors, unterschiedliche Genres, die sich normalerweise gegeneinander sperren oder noch nie probiert worden sind, zu verschmelzen. Humor und Science-Fiction bei G.A.S. fand ich grandios, Humor und eine ernsthafte Schizophreniegeschichte noch viel besser, aber bereits bei Bad Monkeys sträubte sich bei mir die Mischung. Diesen Agententhriller mit Science-Fiction Elementen und Humor fand ich schon weniger prickelnd. Nun in Lovecraft Country Horrorgeschichten mit Alltagsrassismus, einer Abenteuerstory UND ein bisschen Satire zu kombinieren, ging für mich gehörig in die Hose. Da sind einfach zu viele Komponenten in diesem Eintopf-Mischmasch, die für mich nicht mehr zusammenpassen konnten. Bücher zum Alltagsrassismus in den 50er Jahren in der USA, was noch die beste Komponente an der Story war, gibt es viel bessere. Der Lovecraft-Horrorfaktor stellte sich überhaupt nicht ein, im Gegenteil, die angepeilten Gruselelemente wirkten teilweise nicht nur ungruselig, sondern sogar lächerlich (*duckundweg). Was blieb, war meist ein recht langweiliges Lovecraft Namedropping, das Ruff betrieben hat: Ctullu, Necronomicon, Abdul Alhazred, die Berge des Wahnsinns… - Aber das reicht doch nicht, ein paar Buchtitel, das Necronomicon und diese Dimension des Paralleluniversums in der Sternwarte, in den Plot einzubauen, ohne gruselige Situationen richtig mit Horrorfaktor zu beschreiben. Solche Elemente brachten weder den Plot voran, noch lösten sie die Versprechungen des Titels und des Klappentextes ein. Die einzige gelungene Kombination mit dem Horrorgenre im gesamten Plot empfand ich bei Rubys Elixier, das sie in eine Weiße transformierte. Als das Dr. Jekyll, Mr. Hyde Setting auf Schwarzweiß und zwei völlig unterschiedliche Frauenfiguren in einer Person transformiert wurde, hat mir der Roman erstmals ein bisschen gefallen und es ließ mich hoffen, dass all diese Puzzleteile noch zusammenfinden werden. Aber denkste, die Genres verschmelzen für mich einfach nicht zu einer konsistenten Emulsion, auch wenn sie mit sehr viel Druck und Gewalt zusammengepresst werden. In der Küche würde man sagen, die Mayonnaise ist plötzlich ausgeflockt. Die Abenteuergeschichte in Lovecraft Country fährt schon wie bei Bad Monkeys derart mit einem Unwahrscheinlichkeitsantrieb, dass die Unwahrscheinlichkeiten und Zufälle so vorhersehbar daherkommen, dass sie schon wieder langweilig werden. Egal in welch kritische und gefährliche Situationen sich die Protagonisten begeben, sie kommen immer zufällig und völlig ohne Kratzer aus jeder Malaise heraus. Das ist sooo gähn, wenn man nicht nur weiß, dass man sich um überhaupt KEINE der Figuren aus der Familie und dem Freundeskreis der Protagonisten Sorgen machen muss, sondern auch dass gleich wieder irgendein komischer Zufall passiert, der schwuppdiwupp die Antagonisten zerstört und der Gruppe um Atticus hilft. Ein paar Kollateralschäden, ein paar Verletzte und gelegentlich ein Toter in dieser Gemeinschaft hätten dem Plot und der Spannung sehr gutgetan. Sogar mein Goodreads-Freund Michael, der durch die intensive Beschäftigung mit dem Superhelden-Genre an solche dramaturgischen Settings gewöhnt ist, meinte, das war wirklich zu viel des Guten. Und dann auch noch der Humor der in den gruseligsten Situationen so en passant komplett zur Unzeit auftaucht. Humor kann er ja, der Ruff, aber ich will doch nicht lachen, wenn ich mich fürchten sollte. Fazit: Zu viele Genreelemente zusammengepanscht verderben auch den Brei. Lest einen Ruff, aber einen anderen. G.A.S, die Trilogie der Stadtwerke und Ich und die anderen kann ich empfehlen.

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