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awogfli

Posted on 21.2.2022

Im dritten Teil werden die Zugehörigkeiten der Familien zu den sozialen Schichten durch den Austrofaschismus und den darauffolgenden Aufstieg der Nationalsozialisten in Österreich und durch die Machtergreifung der Faschisten in Italien erneut durcheinandergewirbelt. Es wird sehr heftig. Sozialdemokrat Obernosterer wird in Dachau zusammen mit dem Kommandanten Stillfried, bei dem er schon mal während der Regierung Schuschnigg eingesperrt war und Leopold Figl interniert, der ja auch als Bauernbundvertreter an der Macht war. Nun sind alle gleich als Häftlinge der Nazis. Die Beholaveks sind wieder obenauf, haben die Villa des Vaters bzw. Großvaters vom Kunsthändler durch Arisierung zurückbekommen. Die Familie von Webern laviert sich durch, einer von ihnen, Werner, der Sohn des Arztes lässt sich sogar von seiner jüdischen Frau Gabi scheiden, um im Krankenhaus Karriere zu machen. Gabis Flucht nach Havanna ist gescheitert, da das Schiff in keinem Hafen anlegen durfte und sie ist in Paris gestrandet, wo sie sich der Resistance anschließt. Die Holzers leiden noch immer unter den italienischen Faschisten. Nun gehen die Bruchlinien sogar direkt mitten durch die Familien. Viktor Obernosterer ist sein Sozialdemokratenvater zu lasch und zu kompromissbereit, er hat sich den Kommunisten angeschlossen und flüchtet kurz vor dem Anschluss Österreichs nach Prag. Der ehemalige Nichtsnutz Ernstl Beholavek, schon von Beginn an bei den illegalen Nazis, ist nun aufgestiegen und bekleidet zuerst eine wichtige Stellung in der Hitlerjugend und anschließend als Produktionsleiter beim Bombenbau. Er ist seiner Tante Gusti, die mit ihm in der Villa wohnt, viel zu radikal. Auch Siegfried Holzer gerät in Konflikt mit seinem Vater Julius, denn er hat sich wegen der Situation in Südtirol den Nazis angeschlossen und will nicht wahrhaben, dass die Faschisten Mussolinis und die Nazis dieselbe Geisteshaltung verfolgen. Das gibt ständigen Anlass zum Streit. Aber auch die Tochter gerät sehr aus der Art, denn Gisela hat sich ausgerechnet in einen Italiener verliebt. Wieder einmal wurden die historisch politischen Ereignisse wundervoll in den Plot eingewoben. Da ist beim Anschluss fast alles da, die Leserschaft kann sich sogar ein direktes Bild machen und hinter die verschlossenen Türen der Politik blicken, denn Max von Webern ist Schuschniggs Sekretär. Es ist alles grandios beschrieben mit so vielen historischen Details und Kleinigkeiten, sogar die Vernetzung der österreichischen Widerstandsgruppen mit ihren Namen fließen in die Geschichte mit ein. Als der zweite Weltkrieg ausbricht, erfährt man durch Ernstl Beholaveks Nazi verseuchten Blick eine genaue Einsicht in die Waffenproduktion und die Behandlung von KZ-Insassen der Außenlager im Salzkammergut und auch einen guten Überblick über die Situation der politischen Flüchtlinge in Dachau durch Lois Obernosterer. Nur die detaillierte jüdische Schilderung von einem KZ bleibt wahrscheinlich absichtlich von der Autorin ausgespart, denn da gibt es ohnehin schon viele Geschichten. Das Schicksal von Gabis betagten Eltern endet schon im Ghetto Theresienstadt. Das Ende des Romans, der auch mit dem Ende des zweiten Weltkriegs schließt, war mir dann viel zu abrupt, da haben mir einige Details zu den Familienschicksalen gefehlt. Vor allem bei den Holzers und den Obernosterers wurde mir dann in der Generation der Kinder alles viel zu schnell abgespult, das Schicksal wird dann nur im Telegrammstil abgehandelt. Fast scheint es so, dass sich die Autorin hier noch Luft für einen vierten Teil verschafft hat. Was ich aber überhaupt nicht so goutiere, denn bei einer Reihe sollte dann das Ende genauso ordentlich und in der Tiefe konzipiert sein, wie es der Rest der Geschichte war. Fazit: In Summe war die Reihe ein grandioses zeitgeschichtliches Werk, das in der Sprache eher ein bisschen zu einfach gestrickt ist und zu Beginn und am Ende in der Dramaturgie schon etwas schwächelte. Kein Wunder, das Spezialgebiet der Autorin sind zeitgeschichtliche TV-Dokumentationen, hier konnte sie mit ihren Stärken ordentlich auftrumpfen, was die Trilogie dann trotz der kleinen Widrigkeiten zu einem innovativen Werk macht. Somit gibt’s von mir eine Leseempfehlung für all jene, die sich für österreichische Zeitgeschichte interessieren. Ich habe sehr viel gelernt, und die Geschichte hat mir gefallen. Quasi Infotainment auf hohem Niveau - wobei der Fokus schon auf dem historischen Aspekt liegt. Es ist fast so, als wenn man direkt dabei wäre: Geschichte unterhaltsam erste Reihe fußfrei.

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