awogfli
Endlich wollte ich auch mitreden können und zusätzlich nach der schweren, sehr realgetreuen Kost aus der Ukraine, aus Österreich und Deutschland während der Nazizeit, nun was sehr Fiktionales, Leichtes, Bluttriefendes, Entspannendes lesen. Ich wurde nicht enttäuscht, werde mir irgendwann auch den Film reinziehen und dann noch eine Book2MovieRezension schreiben. Der Plot ist nicht wirklich so rasant und spannend, wie es einem Krimi oder Thriller geziemen sollte, zum Beispiel wie bei Gone Girl, aber das ist auch schon der einzige kleine Kritikpunkt an der Geschichte. Die Handlung wird aus dem Blickwinkel von drei Frauen erzählt und das ist sehr gut gewählt, sie verwirren den Plot nicht, sondern bereichern die Sichtweisen. Jede der drei involvierten Frauen hat einen eingeschränkten Horizont und sieht nur einen winzigen Ausschnitt des Geschehens, der Rest sind alles nur Vermutungen und Schlussfolgerungen auf die sichtbare Realität. Das war sehr interessant. Rachel beispielsweise kennt das spätere Opfer Meghan gar nicht persönlich, sondern nur aus der Warte des Zugfensters, weil der Regionalzug täglich beim Signal vor ihrem Haus hält. Sie gibt ihr und ihrem Mann Fantasienamen und kombiniert, beziehungsweise fantasiert sich aus den kleinen, flüchtigen, öffentlich sichtbaren Momenten täglich auf der Terrasse eine glückliche Beziehung zwischen den beiden zusammen. In der Realität ist die Ehe zwischen Meghan und Scott aber genauso kaputt wie jene zwischen Rachel und ihrem Exmann Tom. Tom, seine neue Frau Anna und ihr Baby wohnen in derselben Straße wie Meghan und Scott. Rachel hat die Trennung nicht verkraftet, stalkt die neue Familie des Exmannes und ist mittlerweile von einer Trinkerin, die ihre Depressionen wegen ihrer Kinderlosigkeit betäubte, was zur Affäre zwischen Tom und Anne und respektive zum Ehe-Ende führte, zur schweren Alkoholikerin mit Filmrissen am laufenden Band mutiert. Seitdem Anna genau das Leben mit Kind führt, das sie immer haben wollte, geht es nur noch bergab mit Rachel. Sie hat ihren Job wegen der Trinkerei verloren, ihre Freundin möchte sie aus der Wohnung schmeißen und Rachel versucht trotz guter Vorsätze im Suff immer wieder Kontakt zu Tom und seiner Familie aufzunehmen. Auch am Abend des Todes von Meghan krakeelte Rachel vor dem Haus von Tom herum, aber sie kann sich wie üblich an so gut wie nichts erinnern. Nur Bruchstücke tauchen bei Rachel auf und lassen sie vermuten, dass sie etwas mit dem Mord an Meghan zu tun hat. Ob als Zeugin, als Täterin oder eben gar nicht, das lässt sich nicht eruieren, in Rachels Erinnerung klafft ein riesiges Loch. Da Rachel auch für ihre eigene Psychohygiene wissen muss, was genau passiert ist und bei der Polizei als Alkoholikerin nicht gerade als zuverlässige Zeugin gilt, mischt sie sich permanent und massiv in die Ermittlungen ein, kontaktiert Meghans verdächtigen Ehemann Scott, freundet sich mit ihm an, entlastet diesen bei der Polizei und schleicht sich beim Therapeuten und Geliebten von Meghan als Patientin ein. Diese Aufgabe bringt Rachel wieder etwas vom Alkohol runter. Gebeutelt von sehr vielen Rückfällen, Black-outs, schlechten Aktionen und Entscheidungen kommt die Handlung langsam voran und Rachel verlässt millimeterweise ihren eigenen Sumpf. Durch ihre Ermittlungen, der Suche nach der Wahrheit an den Orten des Geschehens, ist Anna, die Frau von Tom, gleich wieder alarmiert, weil sie neue Stalkingaktionen vermutet. Aber auch Anna hat eine falsche Sicht auf Rachel, denn das meiste, was sie von ihr weiß, als die andere Frau, die es nun zur Partnerin geschafft hat, kommt aus den Erzählungen von Tom. Das ist wirklich großes Kino. Die Schachfiguren des Dramas sind also aufgestellt, die Verdächtigen identifiziert, die Fährten ausgelegt, und das lustige Mörderraten kann beginnen. Der Schuss ist spannend, interessant, genial und schlüssig von den Motiven her aufgelöst. Ausgezeichneter Plot und sensationelle, sehr tiefe Entwicklung aller Figuren. Fazit: So geht guter Krimi. Für den Einzug in die Top-Romane, war mir der Handlungsaufbau aber zu Beginn etwas zu gemächlich. Da hätte man ein bisschen straffen müssen, weshalb ich mit Bedauern einen Stern abziehe.