Dagmar
Natürlich sind die elektronenmikroskopischen Aufnahmen von Insektenlarven und Insekten beeindruckend. Und doch werden es nicht die 90 großformatigen Fotos sein, die mir nach der Lektüre des Sachbuchs „Wandlungskünstler. Die geheime Erfolgsgeschichte der Insekten und wie sie weitergehen kann“ im Gedächtnis bleiben werden. Dieses Buch hat mich zum Staunen gebracht und mir gezeigt, wie wenig ich von der Natur um mich herum verstehe. Was ist ein Insekt? Die Erklärung aus den Biologie-Büchern enthält Merkmale wie wirbellos, sechs Beine und einem dreigeteilten Körper. Die Antwort meines Alltags-Ichs wäre, das kennzeichnend für ein Insekt ist, das es vor allem im Sommer um mich drumherum fliegt oder weg krabbelt. Doch in beiden Fällen wird ausgeblendet, dass diese Umschreibung nur für einen kleinen Teil des Insektenlebens zutriffst – und meist auch nur für den kürzeren. Hirschkäfer leben fünf bis acht Jahre als Larve. Hirschkäfer-Männchen existieren in der Form, die wir umgangssprachlich als Käfer bezeichnen, nur wenige Wochen. Auch die Weibchen sterben kurz danach. In der Theorie war mir das bewusst, aber wie konsequent Mutter Natur das durchzieht, war mir nicht klar. Es gibt Insekten, die nach ihrer Metamorphose noch nicht mal Mundwerkzeuge haben, da sie eh nichts fressen werden! Genau die Metamorphose von der Larve zum erwachsenen Insekt zeigt der Bildband. Dafür bedarf es der Fotos – nicht wegen ihres sensationellen oder auch skurril-gruseligen Schauwerts, sondern um die enorme Transformation sichtbar zu machen. Doch mit den Elektronenmikroskop-Bildern von Schmetterlingen, Käfern, Libellen, Hautflüglern, Fliegen und Mücken alleine würde das nicht gelingen. Es braucht die Texte dazu, die knapp und präzise, locker und unterhaltsam aufzeigen, warum und wie eine Larve ihren eigenen Körper verdaut und umbaut, um als erwachsenes Insekt wiedergeboren zu werden.