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awogfli

Posted on 5.2.2022

Leider bin ich sehr enttäuscht vom neuen Roman des Moritz Rinke, dessen Geschichten ich bisher eigentlich sehr genossen habe. Der längste Tag im Leben des Pedro Fernández Garcia ist leider nicht nur sehr lang wie im Titel bereits angekündigt, sondern weist auch noch die langatmigste Handlung auf, die ich seit Jahren gelesen habe. Als ich dieses Problem das letzte Mal beim Hof von Simon Beckett konstatieren musste und den Plot bildhaft beschrieb, hatte ich als Analogie eine französische Weinbergschnecke mit gebrochenen Beinen im Sinn. Durch die unterschiedliche Location auf der Insel Lanzarote musste ich natürlich auch das Gleichnis bezüglich der maritimen Fauna anpassen, habe gegoogelt und bin auf einen gefesselten Seestern mit Bondage-Hobby oder auf Seepocken gestoßen, die sich niederlassen. Das trifft ungefähr das Tempo, mit der die Geschichte auf nicht enden wollenden 440 Seiten dahinkriecht beziehungsweise -siecht. Dabei ist der Inhalt prinzipiell überhaupt nicht schlecht. Der Postbote Pedro wird jäh mit dem Umstand konfrontiert, dass seine Freundin Carlota eine Affäre mit ihrem Chef hat, sich ganz plötzlich von ihm trennt und auf Nimmerwiedersehen irgendwo in Barcelona verschwindet. Das wäre jetzt nicht ganz so ein Drama, aber Pedro darf Miguel, den Sohn von Carlota, nicht mehr sehen und das ist wirklich übel, denn der Bub ist seit seiner Geburt mit Pedro zusammen und akzeptiert ihn auch als Vater. Die Mutter entfremdet die beiden total, verhindert jegliche Kontaktaufnahme und beide, Stiefvater und Sohn leiden schrecklich darunter. Aus diesem Grund denkt sich Pedro zwei irgendwie süß-rührende, aber ein bisschen schräg-bekloppte Aktionen aus, um wieder Kontakt mit seinem Sohn aufzunehmen, die aber beide episch scheitern. Im Zusammenhang mit den Kontaktversuchen spielen der Autor José Saramago und der Fußballspieler Lionel Messie eine tragende Rolle. Während des Happy Ends kommt es zu einer Annäherung, sowohl mit Miguel als auch mit Carlota. Das klingt jetzt gar nicht schlecht, so ein Plot, aber das war es eben schon fast, was hier ewig breit ausgewalzt wird, abgesehen von ein paar kleinen Abenteuern mit Pedros Freunden Tenaro und Amado und einem läppischen Familiengeheimnis. Versteht mich nicht falsch, ich mag gemächliche Geschichten, ausführlich und tief entwickelte Figuren sind mir sogar wichtig, aber irgendwie ist irgendwann der Punkt erreicht, wo der Plot einfach gar nicht mehr vom Fleck kommt. Ich hatte ständig das Gefühl, ich muss die Zeitlupe abdrehen und auf die Fast-Forward-Taste drücken. Nicht dass gar nix passiert, aber es dauert so ewig. Beim Schnelldurchlauf wäre der Roman dann auch um knappe 200 Seiten kürzer. Wie der Postbote Pedro, der Geschäftigkeit vortäuschen muss, um seinen Arbeitsplatz zu rechtfertigen, indem er sinnlos auf der Insel herumfährt und Tankquittungen und Benzin hortet, macht auch diese Geschichte unzählige leere Kilometer. Rinke hätte nicht jeden cafe con leche und jede popelige Postzustellung so sinnlos breit auswalzen sollen. Das nervt einfach. Sogar als endlich mal etwas passiert und sich Pedro ob der verzweifelten Situation umbringen will, braucht er sage und schreibe drei gescheiterte, sehr tollpatschige Versuche inklusive einer Google-Recherche, wie man das bewerkstelligt, bis er aufgibt. Fazit: Keine Empfehlung! Eine Kurzgeschichte oder eine Novelle als Essenz dieses Werks hätte es auch getan. Lest einen Moritz Rinke, aber einen anderen, zum Beispiel diesen: Der Mann, der durch das Jahrhundert fiel. Dort ist das Tempo zwar auch gemächlich, aber es passt.

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