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Die schönste Frau der Welt Letztes Jahr habe ich im Podcats „Frauenleben“ zum ersten Mal von der zu Unrecht vergessenen Hollywood-Schauspielerin und Erfinderin Hedy Lamarr gehört. Schon damals hat mich der Einblick in ihr Leben fasziniert, um so gespanter war ich auf die Romanbiografie von Charlotte Leonard (hinter dem Pseudonym versteckt sich übrigens die Autorin Christina Lind). „Es gibt nicht viele Rollen für Frauen mit ihrem Äußeren. Sie wirken wie eine Göttin. Eine Göttin aus Marmor.“ (S. 105) Was als Kompliment gemeint ist, wird für Hedy in Hollywood bald zum Fluch. Sie ist es gewöhnt, dass ihr die Männer zu Füßen liegen und sie mit Geschenken überhäufen, hat mit 16 den Skandalfilm „Ekstase“ gedreht, danach am Wiener Burgtheater die Sissy gespielt, mit 18 den steinreichen Waffenfabrikanten Felix Mandl geheiratet und ist ihm und seinem goldenen Käfig nur wenige Jahre später (1937) nach Amerika entflohen. Dort will sie Charakterrollen spielen, aber MGM besetzt sie zu oft als die exotische (erotische) Schöne, ohne viel Text und in kleinen oder Nebenrollen. Kritiker hetzen: „Hedy Lamarr ist immer noch als das teuerste Stück Dekoration in der Show zu sehen.“ (S. 293) Dabei hat sie eine ernsthafte und talentierte Schauspielerin, wenn sie ihr Können dann mal beweisen darf. Charlotte Leonard hat es geschafft, Hedy vor meinem inneren Auge lebendig werden zu lassen, ihre innere Zerrissenheit wiederzugeben und die verschiedenen Sichten, die ihre Fans und Kritiker auf die skandalumwitterte Frau hatten. Ich erlebe eine wunderschöne, zielstrebige und warmherzige Frau, mit einem eigenen Kopf, die um Anerkennung und den großen Durchbruch im Filmgeschäft kämpft und sich dabei nicht unterkriegen lässt. Und ich sehe die Privatperson Hedwig Kiesler, die außerhalb von Hollywood mit vielen Tieren lebt, nur ungern auf Partys geht, sich in ihrem Erfinderzimmer am wohlsten fühlt und von der großen Liebe und einer eigenen Familie träumt. Ich konnte den Hass der konvertierten Jüdin auf die Nazis und die Sorge um ihre Mutter, die noch in Europa lebte, gut nachvollziehen. Hedy ist schon als Kind an allem interessiert und sehr intelligent, forscht in Drehpausen und der Freizeit an vielen Erfindungen. Sie will Amerika im Kampf gegen die Deutschen unterstützen und ersinnt zusammen mit dem Musiker George Antheil ein Verfahren, um Torpedos genauer und unbemerkt steuern zu können (das Frequenzsprungverfahren). Sie bekommen auch das Patent dafür zugesprochen, aber die Army nimmt die „Idee einer Schauspielerin und eines Klavierspielers“ trotzdem nicht ernst ... „Die Verwegene“ versprüht viel Glamour und liest sich wie das Who’s Who Hollywoods der dreißiger Jahre, denn Hedy arbeitet mit den ganz Großen zusammen. Aber das Buch zeigt auch, dass das Filmgeschäft viel weniger prachtvoll ist, als die PR-Leute der Studios es aussehen lassen. Es geht in erster Linie um den Profit. Der Chef von MGM bestimmte, wer welchen Film drehte. Er „schuf“ seine Schauspieler, legte ihr Aussehen, ihre Namen und ihren Ruf fest. „In Hollywood wirst du nichts, wenn du facettenreich bist. Du brauchst eine Rolle, die deine ist, eine Figur, die sich für lange Zeit vermarkten lässt.“ (S. 298) Am erschreckendsten fand ich, dass die Darsteller mit Medikamenten „versorgt“ wurden, damit sie die harten Drehtage durchhielten, und Schlafmitteln, damit sie abends runterkamen und am nächsten Tag ausgeruht waren. Kein Wunder, dass Hedy in späteren Jahren tablettensüchtig war, wie die Autorin hier schon andeutet. Charlotte Leonard schreibt sehr fesselnd, detailliert und bildreich. Man merkt, dass sie für diesen beeindruckenden biographischen Roman viel recherchiert hat. Mich konnte Hedy begeistern, auch wenn sich ihre Träume nicht erfüllt haben.