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Erst vor wenigen Monaten wurde der illustrierte Briefroman "Mitte" um Figuren aus Volker Kutschers Gereon-Rath Reihe veröffentlicht, nun führt der Piper-Verlag mit einer Wiederauflage von "Goldstein" zurück zu den früheren Jahren des Kommissars der Berliner Mordkommission. Zu verdanken ist dies wohl den Vorbereitungen auf eine neue Netflix-Staffel von Babylon-Berlin, die auf der Romangrundlage von "Goldstein" aufbaut - wobei es einmal mehr eine deutliche Diskrepanz zwischen Roman- und Filmfiguren geben dürfte. In den letzten Romanen um Gereon Rath sah sich der Ermittler immer mehr mit der Politisierung des Polizeiapparats und des Justizsystems im Dritten Reich konfrontiert. Die Handlung von "Goldstein" spielt 1931, doch die SA-Trupps marschieren bereits auf den Straßen Berlins, die Bevölkerung übt schon einmal das Wegschauen, wenn Braumhemden in einer U-Bahn-Station einen alten orthodoxen Juden bedrängen. Sehr viel weniger hilflos ist ein anderer Jude, Abraham "Abe" Goldstein aus New York, Auftragskiller der "kosher nostra" und angesichts eines absehbaren Bandenkrieges auf Tauchstation in Berlin. Die Reise in die deutsche Hauptstadt, so wird sich zeigen, hat ein sehr persönliches Motiv, doch die Berliner Polizei, von den US-Behörden vorgewarnt, ist sicher, dass Goldstein aus "beruflichen" Gründen angereist ist. Die Justiz konnte ihm nie etwas nachweisen. So gibt es keine weitere Handhabe gegen den "Touristen" mit dem schlechten Ruf als lückenlose Überwachung - und dafür ist Gereon Rath zuständig. Die Berliner Unterwelt steht am Rande eines Bandenkriegs - ist Goldstein hier eine Rolle zugedacht? Auch Doktor M., der Unterweltkönig, mit dem Rath eher unfreiwillig Umgang pflegt, drängt den Kommissar, einen seiner verschwundenen Männer ausfindig zu machen. Charlotte Ritter, Raths Freundin, engagiert sich unterdessen für ein Straßenmädchen, das auf der Flucht vor der Polizei ist und nach einem missgückten Einbruch Augenzeugin des Todes ihres jungen Komplizen wurde. Dass es sich beim Tod des Jungen keineswegs um einen Unglücksfall handelte, davon ist Kriminalassistent Lange zunehmend überzeugt. Seine Ermittlungen führen ihn zu einem Verdacht innerhalb der Polizei. Einmal mehr zeigt Volker Kutscher die dunklen Zeiten Berlins jenseits des Glitzers und der schrillen Farben des Nachtlebens. Die Weimarer Republik, von vielen Vertretern des Establishments von Anfang an ungeliebt, liegt in den letzten Zuckungen, die Gewalt auf der Straße nimmt zu und die Wirtschatskrise verstärkt die enormen sozialen Spannungen und Kontraste. Atmosphärisch dicht und spannend erzählt werden die Handlungsfäden miteinander verwoben, bis am Ende alles in einem einzigen dichten Plot mündet. Da ich erst später in die Gereon Rath-Reihe eingestiegen bis und noch nicht alle der Vorgängerbände gelesen habe, war die Neuauflage von "Godstein" für mich eine Chance, einen Blick in die Vergangenheit von Gereon und Charlotte zu werfen. Auch in diesem Fall konnte ich mich wieder über einen spannenden Kriminalroman in einem faszinierenden Setting freuen. Der Tanz auf dem Vulkan hat gerade erst begonnen.