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Mit perfektem Timing passend zu den kalten Tagen möchte ich ein Kochbuch besprechen, das sich ausschließlich mit der böhmisch-österreichischen Spezialität, genannt Knödel, beschäftigt. Klar gibt es auch in Deutschland diese sehr schmackhafte Speise, aber nirgends in der Welt hat dieser unscheinbare Kloss eine derartige Meisterschaft und Präsenz in der Küche erreicht wie in den alten Ländern der K&K Monarchie. Knödel bedeutet hierzulande nicht nur profane Beilage, sondern Suppeneinlage, Vorspeise, Hauptspeise und süßes Dessert, das so opulent ist, dass es schon wieder als Hauptspeise genossen werden kann. Mit dieser Verortung der Bedeutung des Knödels erübrigt sich natürlich auch gleich die Frage, ob so ein bisschen Beschäftigung mit dem Knödel wirklich genug Stoff für ein Kochbuch hergibt, im Gegenteil, das Kochbuch ist sogar sehr dick geraten. Da ich in mehreren österreichischen Bundesländern die Küche kennenlernen durfte, meine Oma und siebzig Prozent meiner unzähligen Verwandten zusätzlich direkt an der tschechischen Grenze wohnen und ich auch noch eine professionelle Kochlehre in der Hotelfachschule genießen durfte, möchte ich mich vielleicht ein bisschen zu selbstbewusst als Kompetenzinstanz zum Thema Knödel bezeichnen. Ich glaubte, fast alle Varianten zu kennen, wurde aber vor allem bei den Suppeneinlagen und Vorspeisen sehr positiv überrascht, dass es in alten und neuen Rezeptbüchern noch eine derartige Vielfalt gibt, die ich überhaupt nicht kenne. Der Beginn des Kochbuchs ist schon einmal grandios, denn hier wird Grundsätzliches vermittelt, das ich von der Oma weiß, aber das nicht jedem bekannt ist. Zum Beispiel wird ganz richtig beschrieben, dass beim Kochen das Wasser nicht wallen, sondern nur sieden darf und die Knödel im Topf ausreichend Platz zum Drehen haben müssen. Auch die Verarbeitung von Kartoffel- und Topfenteig und was dabei zu beachten ist, wie beispielsweise welche Kartoffelsorten geeignet sind oder was bei Steinobstknödeln anstelle des Obstkerns eingefüllt werden soll, wird ebenso erläutert, wie die Tücken der Wiederverwertung von Knödeln durch Aufwärmen und Einfrieren. Dann kommen die sensationellen und sehr innovativen Knödel-Rezepte als Suppeneinlage und als Vorspeise, neben den bekannten typischen traditionellen Rezepten wie Leberknödel. Sehr begeistert haben mich die Brandteig-Mohnknödel, Haselnussknöderl (ja pikant in der Suppe) und Rote-Rübenknödel (Bete). Manchmal hätte ich gerne das Suppenrezept auch dazu gehabt, denn auch da schauten einige gebundenen Suppen sehr spannend aus. In der Vorspeisenabteilung haben mich die Fasanen-Knödel und die gebackenen Reisknödel sehr erfreut. Als Hauptspeise gibt es neben den traditionellen Fleischknödeln aus allen Regionen und Variationen inklusive Grammelknödel auch wieder innovative Varianten, von denen ich noch nie gehört habe, zum Beispiel Süßkartoffelknödel mit Entenleberfüllung und die Gmundner Räucherfischknödel. Ach ja, die gebackenen G‘hacktknödel meiner Schwiegermutter haben in die Rezeptsammlung keinen Eingang gefunden. Bei den Beilagenknödelrezepten ist fast alles versammelt, bis auf das Familienrezept meiner Großmutter, jene Variante der Waldviertlerknödel, die es nur direkt an der tschechischen Grenze gibt. Aber PSST! Ein paar Küchengeheimnisse, die von Generation zu Generation weitergegeben werden, wird meine Familie wahrscheinlich ins Grab mitnehmen. Spannend hier auch wieder interessante Rezepte wie die steirischen Käferbohnenknödel und die Weißwurstknödel. Ein kurzer Abschnitt darüber, welche köstlichen Speisen mit Knödelresten gezaubert werden können, legt den Fokus des Kochbuchs zusätzlich auf Nachhaltigkeit. Das Kapitel Dessertknödel weist auch einige Überraschungen auf, wie die Mohn-Glühweinknödel, die Rumtopfknödel und die Schokolade-Brotknödel. Selbstverständlich werden hier auch alle Teige und Fruchtknödelsorten ausführlichst behandelt. Am Ende rundet ein Kapitel mit Teigen, Füllungen und Saucen als Begleiter zu den Knödeln das gesamte Kochbuch ab. Einige der Knödelrezepte in den anderen Kapiteln können je nach Region in Variationen mit unterschiedlichen Teigen, Füllungen und Saucen produziert werden – für diese vielfältigen Experimente dient dann auch das letzte Kapitel, das sich nochmals genau mit den Knödelgrundlagen beschäftigt. Strukturell gibt es ganz wenig zu kritisieren, das Werk bietet ein umfangreiches alphabetisches Register und ein Sachregister nach Kapiteln, zudem erklärt ein Glossar für deutsche Leser die Fachausdrücke aus der österreichischen Küche. Warum die Weißwurstknödel bei den Beilagen eingeordnet wurden, erschließt sich mir zwar nicht, aber das macht sehr wenig. Der einzige gravierende Kritikpunkt, den ich anbringen möchte (und ich glaube nicht, dass ich so etwas schon jemals bei einem Kochbuch moniert habe): Mir waren es zu wenig Fotos. Wie die Knödellasagne gelegt wird und wie viel Sauce in den Gulaschknödeln drinnen ist, dazu hätte ich gerne ein Foto gehabt, das kann man nicht gut beschreiben. Fazit: Ein rundum gelungenes Kochbuch, um zum Knödelprofi zu werden. Innovatives Nischenthema, nahezu perfekt, spannend und umfassend umgesetzt. Solche Schätze, die sich vom herrschenden Einheitsbrei absetzen, mag ich als Besitzerin von mehr als 200 Kochbüchern besonders.