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brittaroeder

Posted on 21.7.2021

Delphine de Vigans Roman „Nach einer wahren Begebenheit“ ist ein raffiniertes Verwirrspiel mit Fiktion, Identität und der Frage, was Literatur eigentlich ist. Ich-Erzählerin Delphine, deren gerade veröffentlichter Roman große Erfolge feiert, trifft auf einer Party die elegante L. Von der ersten Sekunde an ist sie fasziniert. Dennoch ist es L., die die Initiative ergreift und die Freundschaft zu Delphine sucht. Bereits nach kurzer Zeit spielt L. in Delphines Leben eine wichtige Rolle. Und ihre Einflussnahme scheint keine Grenzen zu kennen … De Vigan nährt geschickt Zweifel und Spekulationen in alle Richtungen. Sie lässt ihrem Publikum viel Raum, um das Erzählte selbst zu deuten: Bildet sich Protagonistin Delphine am Ende alles nur ein? Ist diese Story und die darin vorkommende Figur der L. am Ende nur eine Projektion der schriftstellernden Protagonistin? Wo ist die Grenze zwischen Fiktion und Realität? Die Autorin de Vigan jongliert mit diesen Fragen im Roman ebenso wie außerhalb des Romans. Sie wählt eine Protagonistin mit ihrem eigenen Namen, die Schriftstellerin ist wie sie. Und auch der Buchtitel lädt dazu ein, das Gelesene für real zu halten ... Der Roman entfaltet seine Wucht nur langsam. Mir persönlich ging es am Anfang sogar etwas zu langsam. Das gelungene Finale hat mich damit jedoch völlig versöhnt. Alles in allem: Atmosphärisch stimmig, raffiniert gesponnen und klug inszeniert. Chapeau, Madame de Vigan.

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