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evaczyk

Posted on 6.7.2021

Schachtalent zwischen Genie und Abgrund Nein, das ist nicht das Buch zur Serie. Walter Trevis, der Autor von "Damengambit", starb im Jahr 1984. Den Erfolg seines Romans als Netflix-Serie hat er, ebenso wie Netflix, Streaming, Serienbinging und andere Erscheinungen des 21. Jahrhunderts nicht mehr erlebt. Mit seiner Hauptfigur Beth Harmon hatte er allerdings einiges gemeinsam: die Liebe zum Schach und das Suchtverhalten. Kann er gerade deshalb so nahe herankommen mit seinem Blick auf selbstzerstörerisches Verhalten, auf Pillenkonsum und Alkohol zum Frühstück? Wer Damengambit liest, ist sicherlich im Vorteil, wenn er oder sie wenigstens Grundkenntnisse im Schachspielen hat. Ich weiß vom Spiel der Könige gerade mal so viel, dass die Dame die wichtigste Figur ist und sich auch Bauern, Türme, Springer und ein König auf dem Brett tummeln. Nein, Ahnung haben sieht anders aus. Doch auch, wenn sich mir die Raffinesse von Schachduellen somit leider nicht voll erschließen kann, habe ich "Damengambit" sehr gerne gelesen. Denn mit Beth Harmon hat das Buch eine Protagonistin zwischen Genie und Abgrund, mit einer berührenden Geschichte und unglaublichem Ehrgeiz. Wie leicht könnte ein Autor hier in Kitsch abgleiten mit der Geschichte eines Waisenkindes, mit Pillen ruhiggestellt, das beim Hausmeister im Keller des Waisenhauses zum ersten Mal ein Schachbrett sieht und sofort von dem Spiel fasziniert ist. Geradezu spröde, ohne jede Gefühlsduselei beschreibt Trevis den tristen Alltag im Heim, das viel zu frühe Wohlgefallen an den Pillen, die zwar irgendwann mal von den Behörden verboten werden, auf die Beth aber mittlerweile nicht mehr verzichten will. Als sie im Alter von zwölf Jahren adoptiert wird, hat das Mädchen aus Kentucky gerade mal an der örtlichen high School gespielt, doch als ihre Adoptivmutter merkt, dass Schachturniere auch erhebliche Preisgelder einbringen können, unterstützt sie Beth´s Ambitionen. Doch so obsessiv die Begeisterung von Beth für das Schachspiel ist, so obsessiv ist auch ihr Umgang mit Beruhigungsmitteln und Alkohol. Zerstört sie ihr Potential, ehe sie es überhaupt entwickeln kann? Kann sie dem intuitiven Zugang zum Spiel eine Tiefe hinzufügen, die sie bei Begegnungen mit den Großmeistern des Spiels braucht, ganz besonders den Russen? Das amerikanische Schachtalent ist in Zeiten des Kalten Krieges plötzlich selbst eine Figur auf dem Brett der Großmächte - dabei will sie doch nur Schach spielen. Autor Trevis schafft es, bei Beschreibung von Schachpartien und der Vorbereitung Beths auf Turniere die Partien so zu beschreiben, dass auch Schachlaien in das Spiel gezogen werden. Intelligenz, mentale Stärke und Kampfgeist machen die Begegnungen zu echten Duellen voller Spannung. Mir ist es jedenfalls schwer gefallen, das Buch aus der Hand zu legen.

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