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Dagmar

Posted on 14.6.2021

Wann soll man seinen Gedanken freien Lauf lassen, wenn nicht im Urlaub? Genau das macht Leo. Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit ist sie mit ihren Mann in Urlaub gefahren. In den Süden Frankreichs, ins Languedoc. Wohin auch sonst, wenn es sich um einen Roman von Birgit Vanderbeke handelt. Die ersten Tage sind noch nah am Alltagsleben von Solo-Selbstständigen, denen immer die Angst vor der nächsten Wirtschaftskrise im Nacken sitzt. Sie arbeiten, halten online Kontakt mit Auftraggebern und Kunden, mit ihren erwachsenen Kindern und dem Weltgeschehen. Dann kommt ein Sommergewitter. Straße, Wasser, Strom und Internet – alles weg für drei Tage. Währenddessen streifen Lous Gedanken durch das Leben und die Welt. Stricken und Umweltkrise, Familiengründung und Weltwirtschaft, Keyword-Texte und Gespräche mit lieben Menschen: Was wie eine wirre Aneinanderreihung einer Frau, die sehr viel Zeit online verbringt, wirkt, hat System. Denn alles ist mit allem verbunden und selbst so etwas privates wie die Wahl des richtigen Strickgarns ist politisch. Doch bevor ich diese Struktur verstanden hatte, hatte mich schon der Rhythmus der Sprache für das Buch eingenommen. Ich bin gerne in die mäandernden Gedankengänge eingetaucht. Als ich fertig war, dachte ich: Wie schafft es eine Autorin, Wildschweine, Angorakaninchen und ölverschmierte Pinguine zu einem sinnstiftenden Ganzen zu verbinden? Birgit Vanderbeke kann das, weswegen ich am liebsten wieder von vorne begonnen hätte. (Diese Rezension erschien zuerst auf meinem Blog GeschichtenAgentin.de)

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