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awogfli

Posted on 2.6.2021

Wenn ich schon einmal einen Regionalkrimi eines mir unbekannten Autors zur Hand nehme, dann weist der Klappentext meist nicht auf das 0815-Schema von all diesen Romanen hin, sondern er muss schon etwas Besonderes versprechen. Das kann gut funktionieren, aber auch in die Hose gehen. Diesmal hat es leider nicht funktioniert. Versprochen wurde mir eine feinfühlige Charakterisierung von drei Männern, also habe ich einen Krimi mit guten psychologischen Analysen und Tiefgang erwartet. Das hat der Autor zwar irgendwie auch versucht, für mich war das Bemühen aber misslungen, denn die angestrebte Tiefe war für mich eher eine hochgeschraubte auf pseudo-intellektuell gebürstete Geschichte. Lange habe ich mich gefragt, warum bei mir sowohl in der Figurenentwicklung als auch in der Sprachkonzeption unterschwellig solche Empfindungen auftauchten und nach einigen Kapiteln wurde der Konzeptfehler aus meiner Sicht offenbar. Sprachlich verwendet der Autor inflationär statt „banalen“, für mich wichtigen Gliedsätzen Partizipial- und Infinitivgruppen. Dann wird auch noch ein bisserl viel Konjunktiv über den Text drübergestreut und fertig ist die Irritation, die sich zuerst nur im Unterbewusstsein bei mir manifestiert hat und mit jeder Seite mehr offenbar wurde. In einem Regionalkrimi klescht das besonders übel ins Hirn, wenn alles zwanghaft und natürlich sehr eitel auf intellektuell gebürstet ist. Im Plot kommt dann auch noch der intellektuelle Überknaller, da wird so en passant von einem der Protagonisten nebenbei irgendwie Marlen Steeruwitz zitiert, und das Stöckelschuhklackern einer Frau auf dem Kopfsteinpflaster mit einer Türklopf-Analogie von Wolfgang Borcherts Draußen vor der Tür verglichen, um nur zwei von den unzähligen nervigen Beispielen zu nennen, bei der eine Zitation und Erwähnung von Thomas Bernhard in einer völlig unpassenden Situation natürlich auch nicht fehlen darf. Welchem Normalsterblichen fällt so ein Vergleich ein und welcher normale Mensch, als Figur konzipiert, zitiert denn in Gedanken permanent irgendwelche wichtigen Autoren und Stücke, wenn er sich nicht nur gelegentlich vor Publikum mit seiner Belesenheit brüsten will. Das ist doch total an den Haaren herbeigezogen und völlig unrealistisch solche abgehobenen Männer. Irgendwann war ich vom bildungsbürgerlichen Namedropping nur noch genervt. Ich möchte nochmals betonen. Wir befinden uns hier in einem Regionalkrimi, zwei der Protagonisten sind Journalisten einer war Beamter und alle haben permanent den Germanismuserklärbärmodus eingeschaltet. Ich fürchte halt, das ist das, was unter der feinfühligen Charakterisierung der drei Männer und um den Kontrast zwischen dem Milieu von Massenmedien und Kleingärtnern verstanden wurde. Dieser Spagat klang halt irgendwie spannend hat aber bei mir nur Muskelkater hinterlassen. Dabei muss ich nun auch eine positive Seite des Romans hervorheben. Der Produktionsprozess im öffentlich rechtlichen Radiosenders in München und die organisatorischen Abläufe im Funkhaus wurden wirklich hervorragend geschildert. Das Kleingartenmilieu auch ausgezeichnet skizziert (Mein Schwager hat in Linz Ebelsberg einen solchen Schrebergarten), aber die beiden Milieus kommen eben nicht mal am Ende des Romans richtig zusammen oder ergeben zumindest nebeneinander eine runde Geschichte. Auch der Krimi-Plot ist so gut wie gar nicht vorhanden. Niemand der Protagonisten ermittelt bis Seite 200, der Fall kommt bis zu diesem Punkt gar nicht vom Fleck, das ist wirklich viel zu viel Totholz, um bei einem Krimi das Hintergrundmilieu zu beleuchten. Wenn ein Roman fast ausschließlich aus Hintergrund besteht, geht halt auch im Vordergrund der eigentliche Zweck verloren, nämlich die Geschichte zu erzählen. Ach ja die Story: Täter und Opfer sind von Anfang an klar. Ein verwitweter Beamter hat einen Schrebergarten der Stadt Salzburg gepachtet, der in seiner Einsamkeit sein ein und alles darstellt. Die Stadt veräußert die Gründe an ein Investorenkonsortium, das die Kleingärtner rausschmeißt, die Gärten zerstört und auf dem Areal Luxuswohnungen errichtet. Der Chefredakteur des Münchner Radiosenders Steiger hat von seiner Tante eine solche Luxuswohnung geerbt. Der ehemalige Beamte hält Steiger irrtümlich für den Investor, der ihm seinen Garten weggenommen hat, stalkt ihn und erschlägt ihn in einem Wortgefecht. Der Stellvertreter des Chefredakteurs, Wolf, der die Abschiedsrede für seinen Kollegen und Chef gehalten hat, macht sich so seine Gedanken und kommt auf die Hintergründe des Totschlags, indem er nur zwei Mal nach Salzburg fährt und somit der unfähigen Polizei die wichtigen Hinweise gibt. Punkt. Leider ist da nicht mehr. Fazit: Schade, hat mich gar nicht angesprochen, im Gegenteil, ich war eher über weite Strecken genervt. Nur die Beschreibungen des Radiosenders und der Gartensiedlung – also quasi der Hintergrund – hat mir gefallen. Das reicht aber leider nicht für mich.

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