elena_liest
"»Ein Roman ist ein Buch. Eine Geschichte über erfundene Dinge.« »Also lauter Lügen?« Sie lächelt. »Nein. Lauter Geschichten. Geschichten sind wichtig. Mit ihrer Hilfe versuchen die Menschen zu verstehen, warum es die Welt gibt, und warum es uns gibt.«" - Nell Leyshon, "Der Wald" Pawel lebt mit seiner Mutter Zofia und der Familie in einem Stadthaus in Warschau. Seine frühe Kindheit ist wohlbehütet, seine Familie ist wohlhabend und sie leben ein gutes Leben - bis der 2. Weltkrieg über sie hereinbricht. Von nun an sind sie in Gefahr. Als Pawels Vater Karol eines Tages einen verwundeten englischen Soldaten mit nach Hause bringt, um ihn von der Großmutter verarzten zu lassen, gerät alles aus den Fugen und Zofia muss mit Pawel in den Wald abseits der Zivilisation flüchten... "Der Wald" von Nell Leyshon ist Vieles: eine Erzählung über den zweiten Weltkrieg, eine Familiengeschichte, eine Natur-Beschreibung, eine Reflexion über das Mutter- und Frau-Sein, eine Erzählung von schleichender Toleranz und ein Bericht über das Erwachsen-Werden. Genau diese Vielfalt hat den Roman für mich zu etwas Besonderem gemacht. Ich fand es sehr fesselnd, mich durch das Innenleben von Pawel und Zofia zu bewegen, ihre widerstreitenden Gefühle füreinander zu beobachten und nachzuvollziehen und sie durch Warschau, die Scheune im Wald und London beziehungsweise Glastonbury zu begleiten. Nell Leyshons Art, zu erzählen, beschwört die buntesten und ausgefallensten Bilder vor dem inneren Auge. Sie versteht es, mit Worten zu spielen und so bei den Lesenden verschiedenste Gefühle hervorzurufen - viel Traurigkeit und Leid, aber auch Freude und Wärme. Ich mochte tatsächlich jeden Schauplatz des Romans und fand die Geschichte auf allen Seiten fesselnd. Es ist immer wieder bemerkenswert für mich, wenn so ruhige Bücher dann doch mit dieser krassen Wucht daher kommen. "Der Wald" ist ein Roman - eine Sammlung von Geschichten, um es mit den Worten von Pawels Großmutter zu sagen - der wirklich lesenswert ist: still und doch gewaltig, facettenreich aber trotzdem nicht überladen und sprachlich so herausragend, dass man ihn gar nicht mehr aus der Hand legen möchte. Große Empfehlung!