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Auf den Spuren ihres Vaters Sigmund Freud dürfte jedem Interessierten ein Begriff sein, aber wer kennt schon seine Tochter Anna? Ich bin ehrlich, ich hatte noch nie von ihr gehört, dabei war sie eine Vorreiterin auf dem Gebiet der Kinderanalyse. Romy Seidel beschreibt in „Die Tochter meines Vaters“ wie eng das Leben von Vater und Tochter in den Jahren 1922 bis 1939 (bis zu seinem Tod) verknüpft war. Sie erzählt von der Liebe einer Tochter zu ihrem Vater, der fast bedingungslosen Selbstaufgabe und jahrelangen Pflege während seiner schlimmen Krebserkrankung, aber auch, wie Anna nach seiner Anerkennung für ihre Arbeit strebt, nach seinem Lob. Sie war seine Vertraute, Sekretärin und Vertretung, hat sich stets um ihn gesorgt und ihm umsorgt – und oft auch niemanden an ihn rangelassen, ihn von allen anderen abgeschirmt, hatte ich das Gefühl. Als jüngstes von 6 Kindern hat sie ihm immer nachgeeifert und sich, obwohl sie Lehrerin war, von ihm zur Analytikerin ausbilden lassen. Trotzdem arbeitete sie erst „nur“ als Englisch-Übersetzerin in seinem Psychoanalytischen Verlag und behandelte die Patienten mit ihm zusammen. Erst mit 27 spezialisierte sie sich auf die Behandlung von Kindern, ein bis dahin unerforschtes Gebiet, gründete Kitas, Schulen und Kinderheime (für Kriegswaisen) „Ich möchte Kindern helfen, ihre Angst zu verlieren und sie stark fürs Leben machen.“ (S. 49) Anna hat sich nie nach einem Mann und eigenen Kindern gesehnt, aber sie träumte von Zweisamkeit, jemanden der sie versteht und so nimmt wie sie ist. Die ungewöhnliche Beziehung, die sie dann eingeht, scheint in der Familie nie groß thematisiert oder diskutiert worden zu sein und auch die Autorin geht sehr sensibel und rücksichtvoll mit dem Thema um. Dadurch, dass Anna immer bei ihren Eltern gewohnt hat, bekommt man auch einen sehr guten Einblick in das Familienleben der Freuds. Romy Seidel ist es gelungen, ein sehr lebendiges, unglaublich fesselndes und informatives Portrait über diese starke Frau zu verfassen. Sie beschreibt Annas intuitive Arbeit mit den kleinen Patienten sehr anschaulich, wie lernfähig und flexibel sie war, dass sie immer wieder Neues ausprobiert und sich nicht geärgert hat, wenn mal was schief gegangen ist. Ich bin durch die 400 Seiten förmlich geflogen und fand es etwas schade, dass Annas Leben nach dem Tod ihres Vaters nur noch kurz umrissen wurde, denn ihre Karriere war da noch längst nicht vorbei. Ich hätte nochmal 400 Seiten über sie lesen können …