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awogfli

Posted on 22.4.2021

Dieser Roman präsentierte sich mir als eine eher mittelmäßige nette Familiengeschichte über eine junge Adelige, die an mehreren Faktoren krankt: Zuerst spielt sie zur Zeit der Kreuzzüge, ist also schon sehr alt. Weiters passiert im Plot direkt nicht wirklich viel Außergewöhnliches. Kein Wunder, bei der Protagonistin handelt es sich um eine Frau, die zu dieser Zeit per Geschlecht schon sehr wenig Bewegungs- Aktions- und Berufsradius hatte. Eine adelige Dame hat sich also, als ihr Vater und ihr Bruder im Kreuzzug waren, sehr gut um die Landgüter gekümmert und eingies an geschäftlichem Geschick bewiesen. Das passierte zur damaligen Zeit und zu allen Zeiten sogar wahrscheinlich öfter, dass sich Frauen in Kriegssituationen zu bewähren hatten und dies auch erfolgreich meisterten. Anschließend führte sie als Äbtissin auch noch erfolgreich ein Frauenkloster und tappte dadurch in eine Intrige des Abts des Männerklosters. Wäre die Geschichte in früheren Jahrhunderten auf Basis der vergangenen Moralvorstellungen erzählt worden, hätte sie natürlich sehr viel Innovationspotenzial und gesellschaftlichen Sprengstoff in sich geborgen. Also der Roman verfügt über einen, aus heutiger Sicht betrachtet, kaum außergewöhnlichen Plot. Man könnte auch sagen, die Geschichte ist schlecht gealtert, wäre sie schon vor Jahrhunderten veröffentlicht worden. Ist sie aber nicht. Ein weiterer Punkt ist der Umstand, dass die Frau überhaupt keine außergewöhnliche, historisch bekannte Persönlichkeit darstellt. Von einer Johanna von Orleans, die in Männerkleidern einen Krieg gewonnen hat, oder von anderen Frauen, die Könige und Päpste beeinflusst haben, beziehungsweise selbst Regentinnen waren, liest man immer gerne, auch wenn die Geschichten schon uralt sind. Mit Schwester Bonaventura kam mir irgendwie vor, ich hätte die schwäbische Ausgabe einer guten Wirtschafterin vor mir. Ihr Leben mag für die Ahnen der Familie sicher spannend sein, für einen historischen Roman gibt so ein kreuzbiederes Leben aber für mich zu wenig Fleisch her. Da müsste man dann halt als Autor auch ein bisschen in die Fiktion hineingreifen und etwas dazu erfinden. Zudem hatte ich auch massive Probleme mit der verklärenden Darstellung der Figur in der Geschichte, da gab es keinen Zweifel, kein Zaudern, keine menschlichen Schwächen, kein gar nix, die Frau ist nur komplett eindimensional gut, fleißig, kompetent und heilig geschildert. Dies ließ mich tatsächlich auf die Familienbiografie eines Nachkommen schließen, was sich auch - und das ist für mich fast der gravierendste literarische Faux pax – in der sehr simplen Sprache manifestierte. Fazit: Für eine nette Geschichte in der Familie äußerst nice, aber literarisch und plottechnisch für ein breiteres Publikum halt nur Ok und recht anspruchslos, ist zumindest meine Meinung.

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