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brittaroeder

Posted on 5.4.2021

Maria Knissel beschreibt in ihrem Roman „Die letzte Meile“ die Trauer zweier Menschen, denen das Unfassbare passiert: Samuel und Marlene haben ihre Tochter verloren. Teresa war siebzehn als sie den Kampf gegen den Krebs verlor. Weiter machen, weiter leben, irgendwie an der Welt teilhaben ... Alles, was Samuel und Marlene jedoch versuchen, bleibt vergebens. Schließlich trennen sie sich sogar, denn so wenig wie sie zu sich selbst finden, finden sie nach dem Verlust noch zueinander. Knissel beschreibt den Kummer dieser verwaisten Eltern dermaßen authentisch, dass einem beim Lesen die Luft weg bleibt. Der Schmerz wird zu einem festen Gegenstand, an dem sich die Protagonisten immer wieder stoßen und verletzten und an den sie sich krampfhaft klammern, da er für sie längst die einzige und letzte Verbindung zum verlorenen Kind darzustellen scheint. Ein langer Weg steht beiden bevor, auf dem sie lernen müssen loszulassen, um ins Leben zurückzufinden. Ausgiebig hat Knissel für diesen, ihren vierten Roman inzwischen, recherchiert: Sie wanderte mehrere Wochen lang mit dem Rucksack auf der „Via Alpina“ durch die Alpen, lernte in Bremerhaven bei einem „Helicopter Underwater Escape Training“, wie man sich aus einem ins Meer abgestürzten Hubschrauber rettet und begleitete im schleswig-holsteinischen Watt einen Ornithologen der Schutzstation Wattenmeer, um Vögel zu zählen. Und das spürt man. Denn der Realismus, mit dem sie das Alltagsleben ihrer Figuren schildert, lässt das Gelesene zu einer Art zweiten Haut werden, in die man als Leser*in schlüpft. „Die letzte Meile“ ist von einer Unmittelbarkeit, die einem auch nach der Lektüre noch lange umfangen hält. Maria Knissel erschafft mit ihrem Roman richtig gute Literatur, denn sie erzählt völlig klischeefrei nicht nur eine bewegende Geschichte, sie erzeugt einen Raum, in dem man sich als Leser oder Leserin mit dem großen Thema von Tod, Abschied und Trauer konfrontiert sieht, ohne dabei verloren zu gehen. Absolute Leseempfehlung!

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