brittaroeder
Dystopie light Ein weltweit grassierender hochansteckender Grippevirus stürzt die Welt ins Chaos. Nicht gerade die TOP-super-originelle Romanidee, oder? 2020 mag das zutreffen. Aber was, wenn ein Roman diesen Plot bereits 2015 veröffentlicht hat? Vieles von dem, was für uns tägliches Nachrichtengeschehen ist, hat der britische Autor Ironmonger in seinem Roman „Der Wal und der Untergang der Welt“ bereits vor Jahren erstaunlich präzise vorweggenommen. Joe Haak, Analyst einer Investmentbank, entwickelt eine Software, mit der sich weltweit Ereignisketten vorhersagen lassen. Ein Instrument, um den perfekten Zeitpunkt zum Aktienkauf zu ermitteln. Als in Asien plötzlich ein besonders aggressives Virus eine Grippewelle auslöst, schlägt sein Programm Alarm. Mit seiner Prognose macht Joe sich jedoch keine Freunde, überstürzt muss er London verlassen. Seine Flucht führt ins kleine Küsten-Kaff St. Piran. Geschickt verlegt Ironmonger seine Welt-Untergangsstory in eine ebenso überschaubare wie liebenswerte Umgebung. Naturidylle und Personal, rekrutiert aus den üblichen liebenswert-schrulligen Charakteren, sorgen dafür, dass man sich als Leser*in schnell heimisch fühlt. Joe Haak, der sofort in diese Gemeinschaft integriert wird, macht es sich zur Aufgabe den kleinen Ort zu retten. Wer eine der üblichen Apokalypsen erwartet wird nach knapp 500 Seiten stark enttäuscht zurückbleiben. Dem Autor liegt nichts an der Darstellung von Horror und Gewalt. Nicht umsonst hat er den Schauplatz seiner Erzählung in eine „Heile-Welt“-Umgebung verlegt. Den Einwohnern von St. Piran bietet sich nicht einmal die Gelegenheit, ihr Nettsein abzulegen. Man hält einfach zusammen und so bleiben alle unlösbaren Probleme außen vor. Abweichend von jeder klassischen Weltuntergangsgeschichte, deren Prämisse es ist, stets vom Schlimmsten auszugehen, erzählt Ironmonger völlig weltfremd ein optimistisches Märchen. Dass der Autor dabei erzählerisch nicht unelegant vorgeht, versöhnt durchaus und sorgt für eine kurzweilige Lektüre. Immerhin vollbringt Ironmonger das Kunststück eine Dystopie zum Wohlfühlerlebnis zu machen. Doch leider verrutscht das Ende in völlig überflüssigen Kitsch, vielleicht ein weiterer Beleg für die Harmoniesucht des Autors.