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brittaroeder

Posted on 10.3.2021

„Ich kann nicht mehr.“ Bereits mit diesem ersten Satz hatte mich Isabel Bogdan. Die Story: eine trauernde Frau läuft sich zurück ins Leben, ist eigentlich schlicht. Aber wie Bodgan das Ganze sprachlich umsetzt, ist genau auf den Punkt gebracht. Nach dem Suizid ihres Mannes ist ihr Leben nicht mehr wie es war und schon gar nicht wie sie es haben will. Eine Freundin rät ihr das Laufen wieder aufzunehmen. Das wiederentdeckte Hobby verleiht ihrem Alltag feste Struktur und ihren Gedanken eine Bahn. Immer wenn sie läuft, dann springt die Denk-Maschine an. Es gibt keine Grenzen zwischen erlaubten und unerlaubten Gedanken, zwischen wichtigen und unwichtigen Details. Gerade die kleinen scheinbar belanglosen Dinge sind es, die zeigen, wie tief der Tod des einen Menschen ins Leben des anderen hineinreicht. Besonders gelungen ist der Stil, mit dem Bogdan uns diese Geschichte erzählt. Ein wenig atemlos, besonders am Anfang, die Sätze wie zufällig aneinander gereiht, ganz im Rhythmus der Läuferin, die an sich selbst jede Festigkeit und Ausdauer vermisst. Mit jeder weiteren Runde, mit jedem weiteren Kapitel, werden Erzählen und Erinnern strukturierter, die Hintergrundgeschichte verständlicher und der rote Faden sichtbar. Dass diese Geschichte so gut funktioniert liegt auch daran, dass Bogdans Protagonistin so authentisch ist. Trauer, Angst, Selbstzweifel, Wut, aber auch Humor, Dankbarkeit und Lebenswille werden von ihr absolut glaubwürdig repräsentiert. Niemals verliert sich die Autorin in Kitsch oder Pathetik, immer hält sie sich zurück und lässt ihre Protagonistin ganz alleine zu Wort kommen, mit all deren Schwächen und Stärken. Und auch das macht dieses Buch so wundervoll menschlich.

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