brittaroeder
Hier ist alles ist persönlich. Durch die Nominierung für den Deutschen Buchpreis wurde ich aufmerksam und neugierig auf Nora Bossongs Roman "Schutzzone". Mira ist UN-Mitarbeiterin und arbeitet in Genf. Ihre Aufgabe ist es, Gespräche zwischen Vertretern zerstrittener Nationen zu leiten. Nach vielen Jahren, die sie zuvor auch schon in verschiedenen Krisenregionen unterwegs war, macht sie sich über die Erfolgsaussichten ihrer diplomatischen Tätigkeit schon lange keine Illusionen mehr. Auch privat ist Mira eher ernüchtert. Sie ist einsam, woran auch die Beziehung zu dem verheirateten Milan nichts ändern wird. Der Einstieg in den Roman fiel mir nicht leicht. An Bossongs Erzählstil musste ich mich regelrecht herantasten. Lange nachdenkliche Sätze, ein ständiger Wechsel in der Chronologie, mich erinnerte die Erzählweise an einen großen inneren Monolog. Doch noch herausfordernder empfand ich den Blick der Ich-Erzählerin, die absolut distanzlos Privatleben mit historischen Ereignissen verwebt. Es dauerte eine Weile bis ich für mich als Leserin einen roten Faden ausmachen konnte. Denn gerade in dieser unbedingten Nähe, die Mira zu allem empfindet, liegt der Reiz der Geschichte. Mit Protagonistin Mira steht eine Figur im Mittelpunkt, durch die alles gebündelt wird. Die Grenze zwischen privater Biographie und Weltgeschehnis löst sich auf. Bossong zeigt: Alles was passiert, ist persönlich. Historische Ereignisse sind mehr als eine Kulisse, vor der man lebt. Man kann sich „die Geschichte“ nicht auf Distanz halten, sie berührt uns immer – und tiefer als wir es oft wahrhaben wollen. Kein „leichter“ Roman und auch kein bequemer, aber durchaus einer, der die Mühe lohnt.