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elena_liest

Posted on 23.1.2021

In ihrem Buch "AktenEinsicht: Geschichten von Frauen und Gewalt" erzählt Christina Clemm von den Schicksalen verschiedenster Frauen, sie macht begreifbar, was Misogynie und patriarchale Strukturen vor allem in unserem Rechtssystem anrichten können und sensibilisiert gegenüber diesem Thema. Im Buch werden zwar fiktive Geschichten erzählt, diese sind aber an wahre Begebenheiten angelehnt und berichtet diese teilweise nach. Christina Clemm ist selbst Fachanwältin für Strafrecht und Familienrecht in Berlin und kann so einen sehr präzisen und auch glaubwürdigen Bericht über ihre Arbeit und das Arbeitsumfeld abgeben. In die verschiedenen Erzählungen mischt sie immer wieder Abschnitte (gekennzeichnet mit einer anderen Schriftart), in denen sie Hintergrundinformationen zu den jeweiligen Themen liefert, gefüttert mit Statistiken und vielen Quellenangaben am Ende des Buches. Ich war beim Lesen permanent angespannt, war erschüttert und schockiert von den Geschichten der Frauen und musste das Buch immer wieder bei Seite legen - überrascht haben mich die Erzählungen aber nicht. Gerade in meiner Instagram- und Twitter-Blase werde ich (zum Glück!) immer wieder auf Missstände und Ungerechtigkeiten aufmerksam gemacht und viele Themen, die mir also sozusagen im Alltag auch schon auf Augen und Ohren gedrückt werden und mich da schon zur Weißglut bringen, habe ich in ähnlicher und teilweise noch schockierenderer Weise im Buch wieder gefunden. Richter*innen, die auf dem rechten Auge blind sind, Polizist*innen, die ihre Machtpositionen schamlos ausnutzen, Opfer häuslicher Gewalt, die vor Gericht gezwungen werden, wieder mit dem Täter zusammenzutreffen, Geflüchtete, die keinen Schutz und keine Hilfe erhalten - das sind nur einige Beispiele von Fällen, die Claudia Clemm in ihrem Buch aufgreift. Dabei schildert sie sachlich und mit einem angenehmen Schreibstil, der für mich das Lesen manchmal noch härter gemacht hat. Ich kann das Buch sehr empfehlen. Es macht auf die riesigen Mängel aufmerksam, die in Bezug auf Frauen* und Gewalt herrschen. Und es ruft dazu auf, Gewalt in keinster Art und Weise zu akzeptieren - auch nicht in Form von Mikroagressionen. Wenn euch die Themen im Buch nicht triggern, dann lest es und verschenkt es am besten auch gleich noch weiter. Zum Schluss noch ein Hinweis: wer eine günstige Alternative zu dem Hardcover aus dem Kunstmann-Verlag sucht, wird derzeit bei der Bundeszentrale für politische Bildung fündig. Es gibt dahingehend also keine Ausrede, das Buch nicht zu lesen.

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