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elena_liest

Posted on 17.1.2021

"Lange Nacht" von Thomas Mullen ist der dritte Band der "Darktown"-Reihe um die Protagonisten Lucius Boggs und Tommy Smith. Da ich meine Rezensionen gerne mit einer kurzen Zusammenfassung des Inhalts beginne, möchte ich darauf hinweisen, dass es hier kleinere Spoiler auf die beiden Vorbände geben wird. An den Spannungsmomenten der Bücher ändert sich dadurch aber nichts. Atlanta, 1956: Während die Konflikte zwischen der Schwarzen und weißen Bevölkerung durch die friedlichen Aufstände von Martin Luther King Jr. und der massiven Bekämpfung dieser unter anderem durch rassistische und korrupte Polizeibeamte immer weiter hochkochen, wird der Chef der bekanntesten Schwarzen Tageszeitung ermordet. Tommy Smith, der mittlerweile dort als Journalist tätig ist, gerät sofort in das Zentrum der Ermittlungen und kann nur mithilfe seines ehemaligen Vorgesetzten Sergeant Joe McInnis und seines ehemaligen Kollegen Lucius Boggs ohne Verhaftung davon kommen. Nun muss er selbst Nachforschungen anstellen, um sich zu entlasten. Die Situation verschärft sich immer weiter, als sich auch das FBI und kommunistische Aktivist*innen in die Geschehnisse einmischen... Wie schon "Darktown" und "Weisses Feuer" ist auch "Lange Nacht" ein sehr vielschichtiger und extrem spannender Kriminalroman, der vor allem mit seinem Mehrwert und seiner Relevanz punkten kann. Historische Kriminalromane gibt es ja wie Sand am Meer und viele gefallen mir auch echt gut, diese Krimireihe konnte für mich aber von noch keinem anderen Buch aus diesem Bereich übertroffen werden. Thomas Mullen schafft es auch in diesem Roman wieder, Zeitgeschichte meisterhaft mit Fiktion zu verbinden und dabei auch noch auf sehr brisante Themen einzugehen, die oft gar nicht oder mit falschem Ansatz in Büchern angegangen werden. Das White Savior Narrativ sucht man in "Lange Nacht" zum Glück vergeblich, der Autor stellt die (schreckliche) Situation für Schwarze im Atlanta der 60er Jahre für mein Empfinden sehr realistisch dar. Das ist einerseits sehr schmerzhaft, andererseits aber auch immer wieder wichtig sich vor Augen zu führen, gerade auch im Hinblick auf die aktuellen Vorkommnisse in Amerika, aber auch auf der ganzen Welt. Spannend fand ich dieses mal vor allem den Fokus auf die Schwarze Presse zu dieser Zeit. Ich hatte mich damit vorher noch nicht beschäftigt und fand es daher sehr interessant, hier einen näheren Einblick zu erhalten. Auch die Protagonisten konnten mich wieder sehr überzeugen. Tommy und Lucius liebe ich ja sowieso, in diesem Band kommt aber auch McInnis mehr zu Wort. Thomas Mullen schafft es so gut, die innere Zerissenheit des Sergeants auszuarbeiten. Er wirkte auf mich so authentisch und hat mich gleichzeitig wütend, aber auch traurig gemacht. Ich bin auch vom Finale der Triologie mehr als begeistert und finde es sehr schade, dass ich diese lieb gewonnenen Romanfiguren nicht mehr weiter auf ihren Einsätzen begleiten kann. Ich kann alle drei Teile sehr, sehr empfehlen und hoffe, dass diese Krimis noch viel bekannter werden - und dass sich der Autor vielleicht mit neuen Kriminalromanen auch wieder in mein Herz schreiben kann.

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