awogfli
Zwischen den Feiertagen habe ich es nun endlich geschafft, ein paar meiner Regalleichen, die schon seit einigen Jahren bei mir herumgammeln, aufzuarbeiten und ich bin mehrmals positiv – wie auch bei diesem Young Adult Roman – überrascht worden. Dazu muss ich zusätzlich gestehen, dass es eigentlich ausgerechnet für mich als Verfechterin der österreichischen Literatur schon eine kleine Schande ist, die sehr bekannte Niederösterreichische Autorin Poznanski nie gelesen zu haben, obwohl ich sie schon vor vier Jahren auf der Buch Wien getroffen, mit ihr geplaudert habe und außerdem noch weitere vier Bücher von ihr bei mir zu Hause verstauben. Meine Wahl zum Kennenlernen der Schriftstellerin fiel deshalb auf das schon etwas ältere Werk Erebos, weil es erstens Poznanskis Starterfolg darstellte und weil zweitens 2019 ja auch schon der zweite Teil herausgekommen ist, zu dem man angeblich den ersten Teil schon gelesen haben sollte. Ein bisschen erinnert das Setting von Erebos an den ersten Teil von Otherland – Die Stadt der goldenen Schatten von Tad Williams für Jugendliche, aber nicht mit Science Fiction Elementen, sondern mit den Technologien von heute. Das Computerspiel Erebos, das nach dem Gott der Finsternis in der griechischen Mythologie benannt ist, grassiert an einer Schule und zieht nach und nach sehr viele Jugendliche in seinen Bann. Da es technisch durch Big Data Analyse, einen unsichtbaren Wurm, der die Kommunikation am Computer abhört, beziehungsweise auch analysiert und einer leistungsfähigen künstlichen Intelligenz sehr ausgereift ist und massiv süchtig macht, kippen immer mehr Jugendliche einer Schule hinein, schlafen kaum noch und verbringen nächtelang vor dem Computer. Fast scheint es so, als würde das Online Rollen-Kampfgame alles wissen. In Erebos gibt es zudem einige Regeln, die fast wie in der Idee der Augmented Reality beziehungsweise der Augmented Virtuality das reale Leben mit dem Spiel verknüpfen, aber nicht so wie Pokemon Go sondern anders, viel sozialer, respektive asozialer. Keiner darf in der Realwelt über Erebos oder seinen Spielcharakter reden, muss es auch vor seinen Eltern verheimlichen, jeder darf genau einen Freund anwerben, jeder muss auf Aufforderung eines virtuellen Boten im Spiel kleine, oftmals auch sinnlose Aufträge in der Realwelt erledigen, damit sein Krieger in der virtuellen Arena um mehrere Levels aufsteigen kann oder neue Waffen und anderes Inventar erhält. Ein weiteres Gebot, das die Angst vor Fehlverhalten im Spiel antreibt, ist der Umstand, dass ein Spielcharakter, der einmal stirbt, nie wieder die Gelegenheit erhält, Erebos zu spielen, denn es lässt sich nicht mehr installieren. Verstöße gegen die Regeln werden auch sofort geahndet, der virtuelle Bote verhört die Spielteilnehmer regelmäßig über die realen Schulkollegen gegen Bonuspunkte, und bekommt dadurch auch gleich Informationen darüber, ob die Regeln eingehalten werden. Die Geheimhaltung und das absolute Redeverbot über Erebos in der Realität machen das Ganze noch viel spannender, denn jeder mutmaßt nun sowohl real als auch virtuell, wer überhaupt dabei, welcher Kämpfer welche Person und auch wer schon ausgeschieden ist. So werden hier sehr geschickt zwei Gesellschaften punktgenau analysiert und in Beziehung gesetzt: Das Biotop der Schule und das Verhalten der Protagonisten im Spiel und das aus der sehr eingeschränkten Sicht des Protagonisten Nick. Sehr spannend. Die Hauptfigur Nick stellt fest, dass einer seiner zwei Freunde sich schon seit Wochen komisch verhält, kaum noch schläft, in der Schule und beim Basketballtraining fehlt und neuerdings auch mit Schulkollegen herumlungert, die er nie leiden konnte. Es kursiert das Gerücht über ein Computerspiel, das von Hand zu Hand geht, aber niemand redet darüber. Nun hat es Nick endlich auch geschafft, er wurde von Bethany eingeladen, die immer sehr verliebt in ihn war, aber aus der er sich nichts macht. Nick will nun entweder seinen besten Freund Jamie oder seinen Schwarm Emily zu Erebos einladen, aber beide lehnen ab, denn sie machen sich nichts aus Computerspielen und sind auch sehr gut über die Gefahren von Spielsucht durch ihre Eltern informiert. Fortan entfernt sich Nick immer mehr von seinen alten Freunden, da er ja nicht mit ihnen über das Spiel reden kann und kippt durch seine virtuelle Figur den Elfen Sarius immer mehr iins Spiel hinein. Auch ein paar kleine Botengänge und Aufgaben in der Realität hat er schon ausgeführt und ist dadurch mehrere Level aufgestiegen. Erebos scheint ihn durch und durch zu kennen, denn er wird sogar im Realleben mit einem großen Geschenkwunsch an seinen Bruder, einem T-Shirt seiner Lieblingsband bedacht, das seit mehreren Monaten ausverkauft ist und das der Bruder einfach nicht auftreiben konnte. Am Anfang ist für Nick noch alles paletti, sein Elfencharakter Sarius steigt immer höher in der Kämpferhierarchie auf, aber nach und nach stimmt etwas im Sozialgefüge der Schule nicht mehr. Sein mutmaßlicher Konkurrent um die Gunst seiner Angebeteten Emily wird von einer Mitschülerin der Vergewaltigung bezichtigt und Nick hat etwas Schuldgefühle, ob er dies verursacht hat, da er sich von Erebos gewünscht hat, dass Emily sich ihm zuwendet. Irgendetwas stimmt nicht mit der Vergewaltigungsanschuldigung von Aisha und das ruft auch den Englischlehrer der Klasse auf den Plan, der vermutet, dass dieses Computerspiel, von dem so viele Gerüchte kursieren, etwas damit zu tun hat. Immer mehr gerät Mr. Watson, der auch die Online-Sucht vieler Schüler bemerkt, ins Fadenkreuz von Erebos. Nicks ehemalig bester Freund Jamie, der dem Spiel auch skeptisch gegenüber steht, hatte entweder einen ganz mysteriösen Unfall oder es wurde ein Anschlag auf ihn verübt. Immer mehr verdichten sich die Hinweise, dass die Spieler von Erebos etwas mit den Problemen an der Schule und dem Unfall zu tun haben. Anschließend wird Nick im Spiel zuerst nur über Mr. Watson ausgefragt, aber als er dann auch noch irgendwelche Tropfen in den Tee des Lehrers schütten soll, ist die Grenze seiner Skrupel erreicht und er verweigert diese Aufgabe. Dadurch wird er aus dem Spiel geworfen und versucht verzweifelt, wieder zurückzugelangen, denn seine Sucht ist schon sehr ausgeprägt. Erst nach und nach kann er sich mit der Realität wieder anfreunden, aber nun hat ihn Erebos auf dem Kieker, Nick wird mit mehreren Drohungen und sogar selbst mit einem feigen Mordanschlag konfrontiert. Zusammen mit Emily und ihren Hacker-Freunden nimmt Nick den Kampf gegen Erebos auf und versucht aufzuklären, was das Spiel eigentlich in der Realität vorhat, denn diese Aktionen müssen ja irgendeinem Ziel dienen. Die Auflösung im Finale ist ganz schön überraschend und auch krude, aber logisch und auch technologisch total schlüssig. Sprachlich ist das Buch einfach und punktgenau für die Zielgruppe Jugendliche verfasst, die Charaktere sind genau und liebevoll entwickelt. Fazit: Ein rasanter lesenswerter Young Adult Roman mit gut beschriebenem Setting sowohl virtuell als auch in der Realität, mit spannenden Krimielementen, denn es gilt den Hintergrund, die Ziele und die Spieler von Erebos herauszufinden und ihren Charakteren zuzuordnen. Und was ganz wichtig ist, die Geschichte hat eine wichtige Botschaft für Jugendliche zu Spielsucht und moralischem Verhalten. Leseempfehlung! Sogar eine alte Schachtel wie ich war wie gebannt und hat das Buch in zwei Nächten verschlungen.