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elena_liest

Posted on 22.12.2020

"... und vielleicht besitze ich die Bienen gar nicht, sondern sie besitzen mich; vielleicht sind wir alle, auch die Bienen, Teil eines geheimnisvollen und erbarmungslosen unsterblichen Organismus." - Norbert Scheuer, "Winterbienen" Egidius Arimond ist Landwirt und Bienenzüchter, in seiner Freizeit übersetzt er die Texte seines Vorfahren des Mönchs Ambrosius und versucht, sein Wissen über die Bienen schriftlich für spätere Generationen festzuhalten. Egidius Arimond ist aber auch Epileptiker. In den Augen der Nazis ist er lebensunwert, dank des hohen Ansehens seines Bruders wurde er jedoch bisher vom Tod verschont. Um an für ihn lebenswichtige Medikamente zu kommen, muss er jedoch ein hohes Risiko eingehen: er schmuggelt jüdische Flüchtlinge über die Grenze Als Leser*in begleitet man den Protagonisten über etwas mehr als ein Jahr durch sein Leben. Das Leseerlebnis ist sehr, sehr intensiv, da das Buch in Tagebucheinträgen verfasst ist. Egidius Arimond erzählt von seinem Schaffen als Imker, aber auch von seiner tiefen Angst, vor den Augen anderer Menschen einen epileptischen Anfall zu bekommen. Er berichtet von seinen zahllosen Liebschaften mit Frauen, deren Männer sich im Krieg befinden. Hautnah erlebt man mit, wie er seine Konstruktionen baut, um Flüchtige sicher über die Grenze zu bringen, alles mithilfe der Bienen. Ich bin wirklich zutiefst beeindruckt und bewegt von dem Buch. Es ist in klarer und prägnanter Sprache verfasst, hat in mir aber trotzdem oder gerade deshalb eine Fülle an Emotionen ausgelöst. Ich konnte das Buch zeitweise gar nicht mehr aus der Hand legen, vor allem gegen Ende hin - und nach dem Zuschlagen war ich sehr erschüttert. Dem Nachwort kann man entnehmen, dass der Autor Norbert Scheuer in "Winterbienen" eine wahre Geschichte erzählt. Einer der Bewohner seines Dorfes brachte ihm eines Tages eine Tasche voller beschriebener Seiten und bat ihn, sich der Geschichte doch anzunehmen. Das hat er getan und zwar auf eine wirklich gute Weise. Den ein oder anderen Kritikpunkt habe ich zwar (mit den Texten des Mönchs konnte ich beispielsweise nicht viel anfangen), insgesamt ist "Winterbienen" aber so lesenswert! Mir hat es ausgesprochen gut gefallen und ich möchte daher eine Empfehlung aussprechen. Auch deshalb, weil Bienen einfach viel zu unterschätzt werden als Thema eines Romans und die Grauen der Nazizeit nicht oft genug thematisiert werden können. Für mich stand der Roman zurecht 2019 auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises.

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